Vorwürfe in der Linkspartei im Saarland: Lafo, Lutze und die Schlammschlacht
Drei Vertraute von Oskar Lafontaine haben ihr Amt aufgegeben. Sie werfen Thomas Lutze Manipulationen an der Mitgliederstatistik vor.
Nachdem Anfang des Jahres bereits der gewählte Landesvorsitzende, der Landtagsabgeordnete Jochen Flackus, aus gesundheitlichen Gründen aus dem Gremium ausgeschieden war, gilt der Versuch, die zerstrittene Partei zu einen, als gescheitert. Von einem „Scherbenhaufen“ hatte Flackus bereits vor seiner Wahl gesprochen, als er die Bilanz der langjährigen parteiinternen Scharmützel gezogen hatte. „Wenn die Mehrheit des Landesvorstands jetzt so weitermacht, ist die Partei bald endgültig kaputt“, sagte jetzt Exvorstand Bierbaum der taz.
Die gegenseitigen Vorwürfe sind derart gravierend, dass sie sogar vor Gericht landen könnten. Auch das hat bei den saarländischen Linken Tradition. Zwei Mitglieder hatten vor der letzten Bundestagswahl die Kandidatenliste der Partei mit Manipulationsvorwürfen angefochten und dabei die Nichtzulassung der Partei riskiert.
Trotz „schwerer Bedenken“ hatte die Landeswahlleiterin die Liste schließlich zugelassen. Treffen die Vorwürfe der scheidenden Vorstandmitglieder zu, dann trickst die Mehrheit des Gremiums nach wie vor bei den Mitgliederlisten, die Grundlage für die Aufstellung der KandidatInnen und für die staatlichen Zuwendungen nach dem Parteiengesetz sind.
„Manipulative Machenschaften“
Der scheidende Landesgeschäftsführer Schmitt spricht in seinem Rücktrittsschreiben von „satzungswidrigen und manipulativen Machenschaften in der Mitgliederkartei“. Zum Erreichen von Mandaten oder Parteifunktionen würden „in größerem Umfang Mitglieder aufgenommen und in vielen Fällen auch deren Mitgliedsbeiträge übernommen“, schreibt der ehemalige Polizeibeamte Schmitt.
So erklärt er auch die auffällig niedrigen tatsächlichen gezahlten Mitgliedsbeiträge. Er rechnet vor, dass 72 Prozent der saarländischen Linken weniger als den Mindestbeitrag von 3 Euro im Monat zahlen; säumige Mitglieder würden nicht, wie die Satzung vorschreibe, aus den Mitgliederlisten gestrichen. Da er keine Möglichkeit sehe, „die Mitgliederverwaltung in einen satzungsgemäßen und dem Parteiengesetz entsprechenden Zustand zu bringen“, trete er zurück, heißt es in dem Brief.
Für die Vorstandsmehrheit hält der Vize-Landesvorsitzende und Lutze-Vertraute Andreas Neumann dagegen. Er weist die Manipulationsvorwürfe gegenüber der taz als „unsinnig“ zurück, da vor Mitgliederversammlungen eine Prüfungskommission über die Zulassung der Mitglieder entscheide. Das Mahnverfahren gegen säumige Parteimitglieder sei längst im Gang, nur noch nicht abgeschlossen. „Mit Stand 19. 7. 2018“ lägen die Anschriftsdaten von rund 2.300 Mitgliedern vollständig vor, lediglich bei neun fehle das Geburtsdatum, schreibt Neumann.
Auch der Bundestagsabgeordnete Thomas Lutze weist jede Kritik zurück. Gegen ihn war öffentlich der Vorwurf erhoben worden, Mitgliedsbeiträge für andere bezahlt zu haben, um deren Stimmen auf Nominierungsparteitagen zu nutzen. Lutze schreibt der taz dazu: „In früheren Jahren hatte ich für 5–6 Mitglieder eine Patenschaft übernommen und nie ein Geheimnis daraus gemacht.“ Er habe Hartz-IV-Beziehern helfen wollen, in der Partei zu bleiben. „Da dies nun aber gegen mich verwendet wird, habe ich das eingestellt“, so Lutze.
Ungefilterter Machtkampf
In Internetforen tobt indes der Machtkampf ungefiltert. Landesschatzmeister Manfred Schmidt attackiert dort seinen Namensvetter und ehemaligen Vorstandskollegen persönlich. Die öffentlichen Rücktritte bestätigten ihn darin, „dass Du, Heinz und Elmar ausschließlich im Interesse und Auftrag von Oskar (Lafontaine) im Landesvorstand agiert habt“. Weiter heißt es: „Dass es nicht auszuschließen ist, dass bei den Mitgliedern manipuliert wurde, um Mandate zu erzielen, habe ich Dir gegenüber immer wieder zum Ausdruck gebracht. Allein der Beweis ist sehr schwierig.“
Doch nicht der Bundestagsabgeordnete Thomas Lutze oder das Neunkircher Ehepaar Neumann habe mit den Mitgliedermanipulationen begonnen, sondern Barbara Spaniol, schreibt der Schatzmeister. Damit greift er seine Vorstandskollegin, die amtierende Landtagsvizepräsidentin an, die wie Neumann nach wie vor als stellvertretende Landesvorsitzende Mitglied des Gremiums ist.
Im saarländischen Landesverband der Linken tobt offenbar ein Machtkampf für die Zeit nach dem Ausscheiden des Parteigründers Lafontaine aus dem Landtag. „Seine Kritiker versuchen sich in Position zu bringen für die Aufstellung der Listen vor den nächsten Wahlen. Es geht um Mandate, Geld und Macht“, zieht Exvorstand Bierbaum Bilanz.
Und erstmals hat jetzt gegenüber der taz Lafontaine selbst Stellung bezogen. Der Landtagsfraktionsvorsitzende erklärt sein Bedauern über diesen Streit und stellt gleichzeitig fest: „Die bisherige Praxis, Bundestags- und Landtagsmandate in Mitgliedervollversammlungen zu vergeben, bei denen Mitglieder abstimmen, die kurz vorher in die Partei eingetreten sind und danach nicht mehr gesehen werden, kann nicht fortgesetzt werden. Unsere Wählerinnen und Wähler haben Anspruch auf ein faires Verfahren und darauf, dass in Zukunft niemand mehr durch Manipulationen, die gegen das Parteiengesetz verstoßen, ein Mandat erlangen kann.“ Im November wird voraussichtlich ein neuer Landesvorstand gewählt.
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