Vorwahlen als Entertainment: Superdienstag als TV-Spaß

Die Drehbuchautoren streiken? Kein Problem - die Vorwahlen füllen die Unterhaltungslücke im amerikanischen TV: mit hysterischen Experten und Mitt Romneys Haaren.

Was auch passiert, Mitt - tolle Haare. Bild: dpa

NEW YORK taz Wie kürzlich die New York Times kommentierte, sind die amerikanischen Vorwahlen als die eigentlichen Sieger des letzte Woche zu Ende gegangenen Drehbuchautoren-Streiks hervorgegangen: Noch nie gab es so hohe Einschaltquoten. Schuld daran scheint neben dem Bedürfnis nach Aufhebung der Bushschen Kollektivparalyse eben das Unterhaltungsvakuum, das die Streikposten auf den heimischen Bildschirmen hinterlassen haben. Die zurzeit laufenden Quiz- und Reality-Shows sind so schwachsinnig, dass man sich lieber die Politik-Soap anschaut. Vielleicht schreiben Obama, Clinton und McCain der Drehbuchautorengilde gerade Thank-You-Notes.

Es war eine Super-Woche. Am Sonntag gab es den heiß erwarteten Super-Bowl, der Alicia Keys, lustige Werbespots und ein paar Football-Testosteronexplosionen auf den Großbildfernseher brachte. Dann kam gleich der Super-Tuesday, der von einigen TV-Kommentatoren sogar "Super-Duper-Tuesday" getauft wurde, aufgrund der historischen Zahl der an den Vorwahlen beteiligten Bundesstaaten. Die Erwartungen waren hoch: Die Einladungen zu privaten Fernseh-Wahlpartys wurden en masse verschickt. Heerscharen von Zeitungsredakteuren bloggten im Minutentakt. Die großen Sender ABC, CBS und NBC widmeten der Berichterstattung den gesamten Abend, und auf CNN, FoxNews und MSNBC machte sich schon bei der Bekanntgabe der ersten Ergebnisse am Nachmittag eine leichte Hysterie bemerkbar.

Des Unterhaltungswertes willen wurde dann auch tapfer so getan, als würde an diesem Abend vorab der oder die nächste Präsident(in) des Landes gekürt. Und man selbst verdrängte fröhlich mit, was man vorher schon mal irgendwo gelesen hatte, nämlich, dass es trotz der angekündigten Entscheidung zumindest bei den Demokraten zu keiner Entscheidung kommen würde.

Anlässlich dieser aufgeheizten Stimmung (und mit Blick auf Obama) kommentierte eine Bekannte, dass Politik doch sehr dem Liebesleben gleiche. Da handele man genauso irrational. Beim Fernsehgucken traf man dann auch einige Exfreunde wieder, die man nach der Wahl zum Repräsentantenhaus verlassen hatte: Die CNN-Frontmänner Anderson Cooper und Wolf Blitzer zum Beispiel, die sich in den letzten beiden Jahren kaum verändert haben. Wie gehabt wurde jede Prozentzahl, die aus den 22 Bundesstaaten eintröpfelte, mit aufsehenerregenden, interaktiven Computergrafiken bebildert und voreilig von einer Kommentatorenmannschaft in Grund und Boden analysiert.

Es war TV-Spaß erster Güte, wie die Experten mit absoluter Selbstsicherheit sich stündlich widersprechende Ergebnisse vortrugen und mitunter die Übersicht über Exit-Polls, Auszählprozente und Gewinnprojektionen verloren. Die erfreulichste Entwicklung des Abends war dabei die journalistische Totalpleite des republikanischen TV-Zentralorgans FOXNews, wo man sich zur Analyse niemand anderen als Bushs Kampagnen-Boywonder Karl Rove ins Studio geholt hatte. Ob des Wissens, plötzlich ins gesellschaftliche Abseits geraten zu sein, kam es zu ein paar genüsslich anzuschauenden rhetorischen Ausfällen.

Erst kurz nach zwölf, als die ersten Voraussagen für Clintons wichtigen Sieg in Kalifornien gemacht wurden und die Reporter schon vor leeren Tribünen der Wahlkampfzentren standen, verlieh man auf den Nachrichtensendern etwas bedrückt der Überraschung Ausdruck, dass das Ergebnis ja doch bedenklich knapp ausgefallen sei. Hillary verkündete mit gewohnt einnehmender Professionalität ihre Siegesgewissheit und sprach in New York von der nunmehr eingeleiteten "Heilung der Nation". Und Barack machte auch noch kurz vor eins eine gute Figur, als er seinen Fans in Chicago erklärte, dass man die endgültigen Zahlen gar nicht kennen müsse. Es habe sich trotzdem gezeigt, dass "die Bewegung" echt sei und nun "Veränderung nach Amerika" bringe.

Die TV-Journalisten kontextualisierten daraufhin, dass es nun zu einem "kolossalen Spindoktoren-Krieg" kommen würde. Alle Kandidaten hätten entgegen diesen oder jenen Vorhersagen Ergebnisse erzielt, die sie sich jeweils so zurechtlegen könnten, dass sie bis zu den Parteitagen im Sommer weitermachen würden. Außer der überkonservative Mormone Mitt Romney, der nämlich könne nach seiner Niederlage gegen den wahrscheinlichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten McCain nur sagen, dass er "wirklich tolles Haar" habe, so ein CNN-Analyst.

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