piwik no script img

Vorwärts in die Fünfziger

■ betr.: „Angst und Schrecken vor Voyeuren“, taz vom 4.10. 96

Angst und Schrecken vor Voyeuren? Richtiger: Angst und Schrecken vor den Zensoren!

In diesem Zusammenhang sollte man sich doch mal ernsthaft mit der Frage beschäftigen, inwieweit die Zensoren, Moralprediger und Werteverdreher zumindest als Geburtshelfer an der Existsenz „ihrer Voyeure“ verantwortlich beteiligt sind. Sind es nicht gerade sie, die diese Diskussion und vordergründigen Aktionen hintergründig für ihre Weltanschauungen und politischen Zwecke mißbrauchen? „Gott schuf die Menschen nach seinem Bilde.“ Wenn sich zum Beispiel nun dieses Bild im Nettozustand, wie vor einigen Wochen im Kölner Dom – netto, so wie Gott es schuf –, in den Räumlichkeiten des Erzeugers diesem präsentierte, so ist dieser dann logischerweise, weil er sich dort ansehen mußte, was er da angerichtet hat, entsetzt, gelästert und durch den Anblick seines eigenen Werkes entehrt. So massiv provoziert sogar, daß seine Behausung wegen des Anblicks eines „unverfälschten Produktes“ gleich neu geweiht werden muß.

Und genau auf dieser obskuren Ebene führen diese „Sexual- Kreuzritter“ die Diskussion. Wie ihre Aktivitäten deutlich belegen. Wer trägt also die größere Verantwortung für die Perversen? Diejenigen, die diese durch Erziehung ihrer Moral- und Wertvorstellungen produzieren, oder diejenigen, die eben als solche erzeugt wurden oder noch schlimmer: von diesen Leuten als solche diffamiert und hingestellt werden? [...] Norbert Dethof, Holzwickede

Die Heuchelei feiert fröhliche Urständ. Ist es nicht eigenartig? Das Segnen der Waffen bereitet ihnen kein Kopfzerbrechen, durch Waffenschauen pilgern sie mit bewunderndem Blick ob der Perfektion der Tötungsmaschinerie; aber beim Anblick eines nackten Unterleibs geht die Phantasie mit ihnen durch, und sie schreien nach Zensur.

Vorwärts in die Fünfziger, wo die Atombombe „als Fortsetzung der Artillerie“ akzeptiert, Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ jedoch als „jugendgefährdend“ indiziert wurde. Marianne Weuthen, Neuss

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen