Vorstand geht auf Distanz: "Es wird keinen Stasi-Effekt geben"

Der Linke-Vorstand und langjährige DKP-Funktionär Wolfgang Gehrcke glaubt nicht, dass die Stasi-Äußerungen von Christel Wegner die Wahlchancen der Linken in Hamburg schmälern werden.

Besser ist, vorher reinzuschauen, damit man weiß was drin ist. Bild: dpa

taz: Herr Gehrcke, wie kann es sein, dass ein Mitglied einer Linken-Landtagsfraktion im Jahr 2008 die Stasi für eine gute Einrichtung hält?

WOLFGANG GEHRCKE, 64, ist Vorstandsmitglied der Linkspartei. Von 1998 bis 2002 war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender der PDS im Bundestag. Im Jahr 1968 war er Gründungsmitglied der DKP und in den Achtzigerjahren Landesvorsitzender in Hamburg, ehe er die Partei 1990 verließ.

Wolfang Gehrcke: Das wäre auch im Jahre 2000 oder früher schon eine abstruse Einstellung gewesen. Was Christel Wegner da in Niedersachsen gesagt hat, geht einfach nicht.

Sie haben die DKP 1990 verlassen. Hätten Sie Ihre Parteifreunde nicht vor den Stasi-Fans in Ihrer früheren Partei eindringlicher warnen müssen?

Wir begegnen uns heute noch auf Konferenzen oder anderen Veranstaltungen mit Respekt. Und soweit ich die DKP kenne, teilt die Mehrheit ihrer Mitglieder solche Einstellungen nicht. Das war eine nicht zu tolerierende Einzelmeinung, und ich weigere mich deswegen, die gesamte Partei in Sippenhaftung zu nehmen. Eine solche Haltung wäre genauso antiquiert und ignorant wie das Statement aus Niedersachsen. Die Linke wird jetzt nicht Jagd auf Kommunisten machen.

Viele Mitglieder der DKP halten die DDR noch immer für das bessere Deutschland. Warum gibt sich die Linke mit dieser Partei ab?

Auch ich habe die DDR einmal sehr positiv gesehen und die Mauer für notwendig gehalten, doch ich sehe auch die Fehler und setze mich damit auseinander. Eine solche Chance verdient auch die DKP. Und ich bleibe dabei: Die Mehrheit der Mitglieder vertritt solche Meinungen nicht. Wer im Westen linke Politik machen will, kann die DKP nicht einfach ignorieren. Und was soll ich den Parteimitgliedern denn sagen, die noch im Faschismus Widerstand geleistet haben. Oder die während des Kalten Krieges in den Gefängnissen der BRD saßen? Dass sie wegen der Äußerung einer Einzelnen für eine Zusammenarbeit leider nicht mehr in Frage kommen?

DKP-Mitglieder auf Ihren Listen könnten eine Verpflichtung unterschreiben, dass sie die Verbrechen des DDR-Regimes nicht legitimieren.

In Niedersachsen hat die Linke doch sofort reagiert und die Abgeordnete zum Rücktritt aufgefordert. Was sollen Verpflichtungserklärungen nützen? Es ist doch klar, dass solche Ansichten in der Linken nicht toleriert werden.

Sie waren auch DKP-Landesschef in Hamburg. Haben sich die Wahlchancen Ihrer Partei dort verschlechtert?

Nein, es wird dort keinen negativen Stasi-Effekt geben. Die Interessen der Leute, die uns wählen, sind ganz anders gelagert. Sie wollen eine Alternative zu der Politik des dortigen Senats, mehr soziale Gerechtigkeit und ihren Teil abbekommen vom wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland.

Sie sagen also: Unseren Wählern in Hamburg geht es dermaßen schlecht, dass die sich um Stasi-Bewunderer nicht scheren. Etwas zynisch, oder?

Das haben Sie gesagt. Man muss bei dieser Frage sauber trennen. Auf der einen Seite gibt es diese Äußerungen, die absolut inakzeptabel sind. Auf der anderen Seite stehen aber auch die Themen, welche unsere potenziellen Wähler interessieren. Und das werden nicht die wirren Äußerungen einer Einzelperson im niedersächsischen Landtag sein.

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