: Vorspann: Die Macht der Gewehrläufe...
Es ist vorbei. Die Panzer der Greise in der chinesischen Parteiführung haben den Platz des Himmlischen Friedens zum Massengrab gemacht. Telefonanrufe aus China berichteten gestern mittag von 4.000 Toten, vielleicht sind es mehr. Und bei Redaktionsschluß wurde noch geschossen. Der 4.Juni 1989 wird einen Einschnitt markieren. Vier Wochen lang hatte die Utopie ihren Ort gefunden, als in Peking „Pariser Kommune“ war. Vier Wochen lang lebten wir auf dem Tienanmen, lernten die schwierigen Namen aussprechen und auseinanderzuhalten. Li Peng, Zhao Ziyang, Yang Shungkun. Wir staunten über die Kinder der Kulturrevolutionäre, die in Jeans und mit Krawatte gegen die senilen Revolutionäre aufstanden, die wie selbstverständlich mit Megaphonen und Medien hantierten, Ambulanzen und Versorgung organisierten, eine Zeltstadt bauten und - als alles schon vorüber zu sein schien - der Demokratie eine Statue errichteten. Für einige Wochen schien die bittere Wahrheit des Großen Grinsenden, dessen Bild über dem Tienanmen hängt, widerlegt zu sein, nach der die Macht aus den Gewehrläufen komme. Wir sahen Bilder von Armeeinheiten, die vom Meer der Demonstranten weggespült, aufgesogen wurden und ihre Waffen abgaben. Samstag nacht hat sich Maos Satz dann wieder einmal bewahrheitet. Die Kette Ungarn 1956, Prag 1968 und Polen 1981 hat ein neues Glied bekommen: Peking 1989, das Ende der Kommune. Einmal mehr werden den Unterlegenen die Bilder bleiben und den Greisen die Macht. Aber es sind Greise mit schmutzigen Händen.
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