: Vorsicht: Falsche Verfassungsfreunde -betr.: "Piepmatz-Affäre"
Betr.: „Piepmatz-Affäre“
Mit dem Begriff des Verfassungsbruches leichtfertig umzugehen, schadet der demokratischen Kultur. Wer ein prinzipielles (nicht nur taktisches) Verhältnis zur Verfassung einnimmt, wird dem Begriff des Verfassungsbruchs eine ganz genaue Bedeutung vorbehalten. Er wird nicht damit spielen, wenn ihm diese oder jene Maßnahme des politischen Gegners nicht behagt. Er wird dieses scharfe Argument allein gegen den wenden, der das System der Verfassung gezielt auszuhebeln versucht. Nicht ohne Grund bringt der Staatsrechtslehrer Klaus Stern den Begriff „Verfassungsbruch“ in engen Zusammenhang mit „Staatsstreich“: mit „Verfassungsverletzungen von oben“, mit „Angriffen, die Staatsorgane gegen die Verfassung selbst richten“ (Staatsrecht I, S. 184).
In der gegenwärtigen Ampelkoalition umstritten ist Art. 120 der Bremer Landesverfassung. Danach müssen Mitglieder des Senats dem gesamten Senat „Angelegenheiten, die für die gesamte Verwaltung von Bedeutung sind“ und „Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Verwaltungsbehörden oder Ämter berühren“, zur Beschlußfassung unterbreiten. Juristisch liegt der Streit um die EU-Anmeldung der Hemelinger Marsch im Grenzbereich von Art. 120. (vgl. Prof. Dr. Winter, taz v. 11.2.) Für die Klärung dieses Streits (...) gibt es geeignete Verfahren. Hierbei von einem (...) Angriff gegen die Verfassung selbst zu sprechen, ist juristisch abwegig.(...).
Bedenklicher noch wäre, würde ein früherer Justizsenator und Präsident des Justizprüfungsamtes einem auf ein solches Argument gestützen Parlamentsvotum sein Plazet geben: Er trüge ein Argument mit, das jedem juristischen Prüfling als grobe Unkenntnis des Verfasssungsrechts angekreidet würde. Prof. Dr. jur. U. Mückenberger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen