Sanssouci: Vorschlag
■ Magische Bilderwelt – José de Guimarãres bei Michael Schultz
Discovery, 1991 Abb.: Galerie
Große Bilder, kleine Bilder, anziehend in ihrer paradoxen Mischung aus Vertrautem und Erahntem, Gestalt und Zeichen, Anmut und Schrecken. Ansprechende, dynamische Farbigkeit, erdig und heiter, dramatisch und unheimlich, geballt zu einfachen Formsilhouetten; körnige Oberfläche mit Spritzspuren und Schlieren, geometrische Symbole und magisch-anthropomorphe Körperfragmente. Der Maler dieser vieldeutigen Bilderwelt, der einmal Kunst als „die Realität von Träumen“ definierte, ist der Portugiese José de Guimarãres, der sich nach seinem Geburtsort nennt, in Lissabon und anderen europäischen Städten studierte und Ende der sechziger Jahre längere Zeit in Angola lebte.
Die Konfrontation mit der afrikanischen Kunst, ihrer magisch-rituellen Einbettung in das alltägliche Leben, hatte für Guimarãres einen entscheidenden Einfluß auf seine Kunst, die zuvor im Umfeld der damals herrschenden Pop-art entstanden war. Damit sind durchaus auch Verbindungslinien zu ähnlich gelagerten europäischen Kunstströmungen wie der Art brut, dem Informel oder der Gruppe Cobra zu erkennen, zu Malern wie Dubuffet, Baumeister oder – geographisch näher – zu Miró. Dem mediterranen Element ist in Guimarãres' Gemälden in Mischtechnik, Gouachen und Reliefs auf Papier kompositionell im Spielerisch-Gelösten, fast Tänzerischen der Formen ebenso nachzuspüren wie materiell in der Betonung des Haptischen und Tellurischen.
Guimarãres hat nach Jahren der malerischen Erfahrung zu einer nur scheinbar einfachen, fast kindlich-naiven Bildersprache gefunden, die sehr genau und trotzdem wie spontan inszeniert ist. Bei aller Stilisierung, Fragmentierung und zeichenhaft-dekorativen Anordnung auf der Bildfläche bleiben sowohl ein Anflug von Unruhe und Angst als auch eine gehörige Portion an Humor und Erotik erhalten, der an Bildfindungen nichts von Endgültigkeit und Abgeschlossenheit gibt, sondern sie offen und vielschichtig erscheinen läßt. Michael Nungesser
Bis 10. 4., Di.–Fr. 14–19 Uhr, Sa. 10–14 Uhr, Galerie Michael Schultz, Mommsenstraße 32
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