Sanssouci: Vorschlag
■ Manic Street Preachers im Loft
Seit einigen Jahren gilt die Bezeichnung Brit-Pop für Bands von der Insel als ein Merkmal, das Gesichtslosigkeit, Schlappheit und unendliche Langeweile bedeutet. Mit schönen Melodien wird zwar weiter nur so um sich geschmissen, aber speed und heavyness, Kraft und Energie, wichtige Zutaten der Kollegen aus Übersee, fehlen ebenso wie Spinnertum und Exzentrik.
Um diese tristesse durera ein wenig zu verändern, verließen die Manic Street Preachers ihre Waliser Heimat und versuchen nun schon seit einiger Zeit, die englische Popkultur mal wieder richtig unter Strom zu setzen. Dabei haben sie ihre Lektionen in Sachen Pop recht gut gelernt: „Attitude um jeden Preis“ heißt die Devise, und Imagekonstruktion steht scheinbar weit vor ihren Songs und ihrem Sound an erster Stelle. Daß man mit unflätigem Benehmen und provokantem Outfit kein allzu großes Medienecho mehr hervorruft, ist für die Preachers eine Selbstverständlichkeit, und folglich gaben sie noch ein paar verbale Dummheiten von sich, die sie auf den Inseln einerseits als big enemys no. 1 dastehen ließen, andererseits, bei zu großer Hartnäckigkeit im Wiederholen dieser Aussagen, als ziemliche Idioten enttarnte.
Klar ist jedenfalls, daß die Manic Street Preachers auch Musik machen, und die ist hardrockmäßig in Ordnung, unterscheidet sich vom sonstigen britischen Gitarrenpop-Einerlei um einiges, energisch und manchmal auch laut sowie hie und da angereichert mit Glamour und den großen Gesten. Natürlich erschöpfen die sich nicht nur in Songs und Melodien, sondern sollen, trotz aller zur Schau gestellten Hohlköpfigkeit, auch ihrem geistigen Horizont zur Ehre gereichen. Und so würzten sie jeden ihrer 18 Songs von ihrem ersten Album „Generation Terrorists“ (Teenager aufgepaßt!) mit literarisch-philosophischen Zitaten, von Sylvia Plath bis Konfizius, von Nietzsche über Camus bis hin zum obligaten Burroughs. Programmatische Titel wie „Spectators Of Suicide“ (Henry Miller), „Motorcycle Emptiness“ (Sylvia Plath) oder „Condamned To Rock 'n' Roll“ (Nik Kohn) erhielten damit ihre zusätzliche Weihen und sollten das Tiefsinnige dieser sauberen Poptitel festigen.
Rock 'n' Roll und Revolte in den Neunzigern, mit den Büchern in der Hand und den Aphorismen im Kopf. Aber eigentlich wollen sie nur berühmt werden, so groß und bekannt wie die Stones, so schrecklich und erregend (na denn!) wie Guns N'Roses, und dann ab in die heiligen Hallen des Rock-'n'-Roll-Stardom. Und obwohl den Manic Street Preachers dafür jedes Mittel recht und billig ist, soll es Leute geben, die ihr angezetteltes Aufsehen partout nicht bemerken oder schlicht ignorieren. Und das sind, mal abgesehen von England und seinen wöchentlichen Musikblättern, eigentlich alle europäischen Teens und Twens. Ob es die Smiths waren, die Happy Mondays oder die Inspiral Carpets, von Pop-Euphorie auf dem Kontinent selten eine Spur. Den Manic Street Preachers wird das nicht anders ergehen, aber ansehen und -hören kann man sie sich schon einmal. Gerrit Bartels
Heute um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz.
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