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SanssouciVorschlag

■ „Bison Ravi“ — One-Man-Show mit Pierre Clément

Schon der Weg ins ThéÛtre Français de Berlin verlangt ein Höchstmaß an Konzentration: Vom Café Einstein links in die Derfflingerstraße, zielgerade vorbei sowohl an der verglasten Neuzeit-Sporthalle als auch an der Villa des bedeutendsten Zuckerchemikers Deutschlands, Carl Scheibler, flaniert, landen herumirrende frankophile Vian-LiebhaberInnen direkt vor einem Baum mit der Aufschrift „Kein Hundeklo“. Sind diese Etappen erst einmal bewältigt, fällt der suchende Blick nach rechts in ein von schwarzen Vorhängen verdecktes, einigermaßen müdes Licht. Die im Oktober 1981 von dem französischen Schauspieler Pierre Clément gegründete Bühne liegt gut getarnt hinter der klobigen Beton-Ästhetik eines Gymnasiums, widersetzt sich also nicht nur im Programm den üblichen kulturellen Leuchtfeuerwerken.

Den Anfang und das Ende von „Bison Ravi“ markieren – ganz Humphrey-Bogart-mäßig – ein Mann, ein Trenchcoat, ein Hut. Doch der Akteur ist Franzose, mit Haut und Hemdsärmeln, einer, der sich 75 Minuten lang dem Dichter, Jazzologen, Ingenieur, Chansonnier, Übersetzer und Schriftsteller Boris Vian verschrieben hat. In einer kahlen Bühnenlandschaft entsteht, inszeniert von dem Schauspieler und Regisseur Klaus Kowatsch, die Welt dieses äußerst humoristischen und sozialkritischen Poeten: Der Atombomben bastelnde Onkel, der antiintellektuelle Adjutant, der seinen Besen idealisierende Straßenkehrer oder Corinne, die betrogene Betrügerin.

Vians Prosa und Verse werden beinahe ausschließlich im Gesicht des Schauspielers zu Leben erweckt; die Stirn-, Augen- und Mundarbeit Cléments läßt reichhaltiger agierende Darsteller zu fuchtelnden Agitatoren schrumpfen. Sein Grinsen, Staunen und Runzeln ist ebenso gezielt dosiert wie seine sparsame Gestik. Die akzentuierte Sprache Cléments, die Wortspiele Vians, der satirische Sprachwitz benötigen dennoch ein gut geschultes französisches Ohr – mehr Kenntnisse als die weitverbreiteten Urlaubsfloskeln. Schade, daß die aus der Ruhe eines Korbsessels erzählte Geschichte „Liebe ist blind“ dem Programm mittendrin einen langatmigen Stoß versetzt. Anna-Bianca Krause

Am 1., 3., 5., 8., 10. und zahlreichen weiteren Terminen im März, jeweils um 19.30 Uhr im Théatre Français de Berlin, Derfflingerstraße 7, Schöneberg.

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