Sanssouci: Vorschlag
■ Im gekauten Diskant - * "Broadway Cafe" im BKA
Da, wo alle Kellner Künstler sind und von Ruhm und Reichtum träumen, da, wo aus Sternchen Stars gemacht werden, wo Hoffnung, Illusion und bittere Enttäuschung Hand in Hand spazierengehen – da muß der Broadway sein, so will es das Klischee. Tellerwäscher werden zu Millionären und Kellner zu Entertainern. Aber der amerikanische Traum hat inzwischen einen ziemlich langen Bart. Selbst die Traumfabrik Hollywood glaubt ihm nicht mehr. Um so mehr wundert es, wenn er noch mal so gläubig-naiv auf einer Bühne präsentiert wird.
Mit dem „Broadway Café“ hat sich Laurent Holzamer seinen eigenen, privaten american dream auf die Bühne geholt. Er ist Dennis Bolder, Kellner in einem der unzähligen Cafés am Broadway, wo falsche Träume einen guten Nährboden finden. Im Broadway Café befindet sich auch eine winzige Kleinkunst- Bühne für Starlets und Möchtegern-Entertainer. Wenn der Interpret des Abends urplötzlich ausfällt, muß Dennis ran, und auf diese Gelegenheit hat er schon lange gewartet. Denn auch er träumt seinen Traum von der Entdeckung durch den big producer, der ihn von der Kellnerschürze gleich weg engagiert.
Dennis erzählt von Menschen, denen er tagtäglich hier im Café begegnet, Menschen aus dem kleinen Handbuch zum gelungenen Klischee. Da ist Hardy, der die Espresso-Maschine zu Schrott gesungen hat; Lydia, die von einer soap-opera-Karriere bei „Channel 4“ träumt; Roy, der „es geschafft hat“ und Fernsehwerbung für Gemüsesaft verbricht. Dennis' Geschichten sind kurz und zu hanebüchen plakativ, als daß sie vor dem inneren Auge lebendig werden könnten. Dennis singt auch, New-York- Songs aus den Federn von Joe Jackson bis Billy Joel.
Laurent Holzamer ist mutig zu nennen, weil er achtzig Prozent des Abends mit diesen Songs bestreitet und überhaupt nicht singen kann. Zu laut, zu wacklig, zu schief rutschen die Töne aus der Kehle, mit schlotterndem Vibrato, und man zittert, ob er den nächsten Ton so lange zu halten versucht wie den davor. Das alles könnte mit einem Quentchen Selbstironie ja vielleicht funktionieren. Aber Laurent Holzamer nimmt sich und den american dream ganz ernst: makellose Macken im gekauten Diskant.
Das ist fast schon tragisch, wäre diese Tragik beabsichtigt. Aber da steht kein „King of Comedy“ auf der Bühne, wie ihn Martin Scorsese so wunderbar demontiert hat. Das Ende vom Lied: Ein Produzent hat sich Dennis' Show angesehen – und will ihn trotzdem haben. Dennis alias Holzamer tritt ein letztes Mal vor sein Publikum und singt das Lied vom amerikanischen Traum – mit einer übergroßen Zahnpastatube in der Hand. Der große Traum versandet im Werbegeschäft. Ein bißchen mehr toothpaste, und der Abend hätte einen Sinn gehabt. Anja Poschen
Weitere Vorstellungen: bis 2.5., mittwochs bis sonntags (außer Samstag), 23 Uhr im BKA, Mehringdamm 34
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