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SanssouciVorschlag

■ Jimmy Giuffre, Paul Bley, Steve Swallow im Quasimodo

Paul Bley ist 60 Jahre alt, jammte vor 40 Jahren mit Charlie Parker in New York und machte mit Art Blakey und Charles Mingus seine erste Platte. Mitte der fünfziger Jahre befand der kanadische Pianist die Post-Bop-Ära bereits für beendet und die Zeit reif für eine Revolution. In seinem kalifornischen Trio jener Jahre spielten Billy Higgins, Charlie Haden oder Scott La Faro, und Newcomer wie Ornette Coleman und Don Cherry bekamen bei ihm ihre ersten Chancen. 1964 trat er bei der „October Revolution“ im New Yorker Cellar Café als Free-Jazz-Kader in Erscheinung, gründete die Jazz Composer's Guild und tourte mit Archie Shepp und Sonny Rollins. 1969 machte er während eines Konzerts in der New Yorker Philharmonic Hall den Synthesizer für den Jazz gangbar, versuchte sich als Free Rocker und gründete 1974 sein eigenes Improvising Art Platten-Label. Kaum so populär wie seine einstige Lebenspartnerin Carla Bley, gilt er als eine der einflußreichsten Persönlichkeiten des neuen Jazz.

In den vergangenen Jahren hat der rundliche Herr noch etwas zugelegt, überschüssiges Körpergewicht gleicht er heute häufiger durch ausgedehntes Solospiel aus, ganz im Gegensatz zu dem Selbstkultivierungsverdacht, dem sich schnell gealterte Frühpensionäre des Jazz oft aussetzen mußten. Sein Wunsch: ein Konzert pro Monat mit jeweils wechselnden Partnern zu spielen und zugleich digital zu konservieren. Sein Grundsatz: nur mit den Besten zusammenspielen, um nicht unnötig Kraft zu vergeuden. Und um die Spannung zu halten, die gute Musik nun mal auszeichnet. Deshalb gibt es bei ihm auch keine Proben, um ja nicht der Routine zu verfallen. Zur Zeit rekonstruiert Paul Bley gerade seine Geschichte in zahlreichen hörenswerten Neueinspielungen, wie jüngst die Musik von Annette Peacock (auf HatArt). Jimmy Giuffre (reeds) und Steve Swallow (e-bass) füllen mit eigenen Legenden die Seiten der Jazz-Lexika, zusammen spielten die drei bereits vor dreißig Jahren. „Fusion/Thesis/Free Fall“ hieß ihr nicht labelbares Trio-Debut 1961 – „zu frei“, „zu intellektuell“ und „zu modern“ – 1989 folgten „The Life of a Trio: Saturday/Sunday“ und 1992 „Fly away little Bird“ (auf OWL) als definitive Statements zur Kunst des „instant composing“. Dieses All-Star-Trio hat absoluten Seltenheitswert für Berliner Verhältnisse. Revolution retrospektiv – introvertiert intim. Christian Broecking

Jimmy Giuffre, Paul Bley, Steve Swallow um 22 Uhr im Quasimodo, Kantstraße 12a, 1/12.

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