Sanssouci: Vorschlag
■ Video-Previews im Friseur der Botschaft
Der in den USA lebende Libanese Walid Ra'ad sowie Jayce Salloum, ein Kanadier mit libanesischen Vorfahren, und Hanno Baethe – einer der wenigen bekannteren deutschen Videomacher – waren mit von der Partie, als die Botschaft e.V. vor einem Jahr sieben junge Filme- und VideomacherInnen zum Seminar „Fishing for Documents – Dokumentarfilm zwischen Tradition und Experiment“ einlud, um neue Formen dokumentarischer Film- und Videoarbeit vorzustellen. Am Wochenende sind nun die neuen Videos von Ra'ad/Salloum und Baethe zu sehen.
„Talaeen A Januub/Up to the South“ von Jayce Salloum und Walid Ra'ad beschreibt die Lebensbedingungen im Südlibanon. Gleichzeitig problematisieren die Autoren den westlichen Blick auf den Libanon, der zumeist mit exotischen Klischees oder der Chimäre einer drohenden Islamisierung der westlichen Welt verknüpft ist. „Talaeen A Januub“ ist ein Interviewfilm. Die Autoren lassen militante Hisbollah-Kämpfer ihre Beweggründe ebenso darlegen wie gemäßigte Gegner der Besatzung. Sie legen die historischen Wurzeln des politischen Konflikts frei, die in den westlichen Medien durch das Schlagwort Terrorismus verschüttet wurden. Um ihren eigenen westlichen Blickwinkel zu korrigieren, arbeiteten Salloum und Ra'ad mit libanesischen Filmemachern, Wissenschaftlern und Journalisten zusammen und hinterfragen ständig, wie man andere Kulturen angemessen repräsentieren kann. So leiten sie ihr Video mit Äußerungen einer Libanesin ein, die sich dem Interview verweigert und den Videomachern jede Legitimation abspricht, über die ihnen fremden Lebensbedingungen zu berichten. Sie endet mit der resignierten Bemerkung, daß die Autoren wohl auch diese Verweigerung zu ihrem Vorteil nutzen werden. Man kann erahnen, daß es sich um eine gestellte Szene handelt, weil die Protagonistin direkt in die Kamera schaut. Jedenfalls gibt diese Einleitung einen klaren Hinweis auf die Künstlichkeit des Films.
„Delineations, deliminations and insubstantial truth“ (Entwürfe, Abgrenzungen und unwirkliche Wahrheiten) heißt eine aus 58 Polaroidbildern bestehende Installation von Jayce Salloum, die ergänzend zu den Videos ausgestellt wird. Die Bilder hat Salloum während seines Libanonaufenthaltes gemacht. Obwohl sie Alltägliches zeigen, läßt sich kaum eines mit den geläufigen Bildklischees vom Libanon verknüpfen.
In „Tätowiert“ von Hanno Baethe erzählt Monika Heintze ihre Geschichte. Die Vollwaise kommt früh mit Drogen in Berührung und wird in einen Mordfall verwickelt, was ihr eine dreieinhalbjährige Haftstrafe einbringt. Wie in seinen früheren Videoportraits über den Schauspieler Kurt Raab und über den Ausdruckstänzer Ernest Berk ergänzt Baethe in „Tätowiert“ dokumentarische Aufnahmen durch Spielszenen und experimentelle Einschübe. Normale Interviewsequenzen stehen neben stilisierten, Spielszenen neben Statements. In clipartigen Einschüben versucht Baethe die Wahrnehmungszustände seiner Protagonistin zum Ausdruck zu bringen. Durch die künstlerische Gestaltung des Videos will er die Geschichte Monika Heintzes möglichst direkt in die Realität Film übertragen.
Ra'ad/Salloum und Hanno Baethe haben neue, künstlerische Formen dokumentarischer Videoarbeit entwickelt. Interessante Experimente sind ihre Werke allemal — inwieweit sie gelungen sind, bleibt dem Urteil des kritischen Betrachters vorbehalten. Christian Hoffmann
„Talaeen A Januub“ am 15.10.; „Tätowiert“ am 16.10. ab 21 Uhr im Friseur der Botschaft, Kronenstraße 3, Mitte. Eintritt frei
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