Sanssouci: Vorschlag
■ Paßt zum achten Whiskey und zum Schunkeln: Gutterball im Loft
Wow, eine „Down To Earth“-Supergroup! Was, bitte schön, soll man sich denn darunter vorstellen? Eine Supergroup ist immer dann super, wenn verschiedene Stars und Helden sich, für meist nur eine kurze Zeit, zu einer gemeinsamen Band formieren. Im Fall von Gutterball sind Steve Wynn, Bryan Harvey und Stephen McCarthy die Initiationskräfte, deren ehemalige Bands allerdings mehr für eingeweihte, rockgeschichtsbewußte, möglicherweise bessere Menschen Begriffe sind, die Heldentaten und kultische Verehrung bedeuten. The Dream Syndikate, Long Ryders und House Of Freaks sind Gruppen, die, Anfang der Achtziger, für einen traditionellen Westcoast-Guitar-Rock mit zart- psychedelischem Einschlag standen und sich dabei ganz bewußt – back to the roots – von der in den Staaten grassierenden Postpunk- und Hardcore-Begeisterung abgrenzten.
Bei Gutterball darf folglich ruhig von „Down To Earth“ und Megaband die Rede sein. Die Entstehungsgeschichte dieses Projekts sprudelt nur so von Männergeschichten, Lagerfeuerromantik und inspirierenden Getränken. Man saß eben zufällig zu dritt zusammen, kalt war es in Richmond, die Tequilaflasche machte die Runde, und man kam auf die für langjährige Musiker nicht unbedingt abwegige Idee, ein paar Songs zu komponieren, die glücklicherweise auch gleich in einem nahegelegenen Studio aufgenommen werden konnten. Das war schon alles, schnell wurde aus dem Album ein Selbstläufer und die eigentlich sehr lose Männerverbindung eine Band – die auch gleich mit den Black Crows (oha!) auf eine Tour geschickt wurde und mit Lorbeeren überhäuft nun nicht umhinkommt, auch Europa einen Besuch abzustatten.
Für die meisten Songs ist Steve Wynn (ehemals Vorturner der Dream Syndikate) mitverantwortlich, und die stehen selbstverständlich, ganz der Tradition der obengenannten Gruppen verpflichtet, auf der erdzugewandten Seite der (Rock-)Geschichte. Die Lieder werden für spontaner, improvisierter und hingehauener erklärt, als sie es in der Tat sind, Songs about men, draußen und unten und ein bißchen einsam. Die Musik zum achten Whiskey in der plötzlich leeren Wohnung, aber dann auch wieder zum geselligen Miteinander-Schunkeln, nicht gerade aufregende, aber abgeklärte und abgehangene Entwürfe für Menschen zwischen dreißig und fünfzig.
Der Song „Blessing In Disguise“ darf als das Credo der fünf Herren angesehen werden: „I always take whatever comes my way, when it comes/ I don't believe in supersition, I don't believe in good advice/ I believe in the roll of dice, And I'm waiting for a blessing in disguise.“ In der Schwebe bleibt – und das ist recht so –, ob das nun ein ausgewachsenes Altmusiker-Ding wird oder doch nur ein Nutze-den-spaßigen-und-zufälligen-Augenblick. Geschichten werden heute abend sicher zuhauf erzählt, und bestimmt gibt es ein paar Songs mehr als nur die zwölf der Gutterballs. Gerrit Bartels
Heute abend im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg, 20.30 Uhr.
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