Sanssouci: Vorschlag
■ „Freunde in der Not“ von Alan Ayckbourn in der Tribüne
Wenn fünf Ehekrüppel und ein unsterblich Verliebter zusammentreffen, ist peinliches Schweigen noch das Beste, was der Runde passieren kann. Aber leider kann Colin (Thomas Chemnitz) weder sein Glück noch die fünf dicken Fotoalben für sich behalten, die er zu der Wiedersehensparty mit seinen alten Freunden angeschleppt hat. Kein Wunder, daß die sensible Gastgeberin Diana (Marina Krauser) immer wieder unter hysterischen Heulkrämpfen in ihre vollautomatische Einbauküche rennen muß, während ihr Mann tiefer und tiefer in der schweren Polstergarnitur versinkt. „Das ist ja ne nette Runde“, konstatieren die alten Damen im Publikum vergnügt und räkeln sich gleichfalls behaglich tiefer in die Sessel der Tribüne.
Das Glück von Alan Ayckbourns „Freunden in der Not“ ist so falsch wie die rosa Perlen um Dianas Hals und so labil wie die Skulptur aus verknäulten Plastikrohren in ihrer Diele, die den Gästen immer wieder in den Weg gerät. Die Komödie schlägt einen eleganten Bogen um den leicht zu habenden, schalen Witz des Gegensatzes zwischen hübschen Manieren und häßlichen Gedanken. Die Komik liegt in den traurigen, bewußt überzeichneten Typen – nicht umsonst wurde Ayckbourn einmal der „Molière des Mittelstands“ genannt. Da ist der fahrige, ständig herumhampelnde Verlierer John, den Wolfram Teufel mit Verve, wenn auch etwas übertriebener Jungenhaftigkeit verkörpert. John ist geschäftlich von Paul (Franz Wacker) abhängig, und so sieht er es dem Gönner – mit zitternder Unterlippe grinsend – nach, wenn der mit seiner Frau schläft. Da ist die liebenswerte Glucke Marge (Cornelia Meinhardt), die seit etlichen Jahren mit einem drei Zentner schweren Hypochonder verheiratet ist und unbeirrt aufwischt, was immer die anderen in ihrer Wut und Aufregung verschütten.
„Freunde in der Not“ ist ein durch und durch konventionell gebautes Stück, und in seiner Art ist es perfekt. So perfekt wie Pauls und Dianas Wohnzimmer mit den Glausbaustein-Wänden und der Saloon-Schwingtür, die dem 70er-Jahre-Stück – ebenso wie der bunte Turban der Gastgeberin – ein gewisses historisches Flair geben (Bühnenbild: Klaus-Ulrich Jacob). So weit treibt die Inszenierung von Jürgen Thormann ihr Perfektionsstreben, daß sogar die Plastiktüten, mit denen die kaufsüchtige Marge sich belädt, die Aufschrift der Kaufhauskette „Marks & Spencer“ tragen und echtes Wasser an die Scheiben pladdert, wenn es draußen regnet. Das Programmheft enthält übrigens einen Test amerikanischer Ehetherapeuten, an dem man prima ablesen kann, ob die eigene Partnerschaft bessere Chancen hat als die verkorksten auf der Bühne. Obwohl doch wenigstens Colin verliebt und glücklich ist? Ja und nein. Die von ihm vergötterte Frau ist nämlich gestorben, und er hat sie nur vierzehn Monate gekannt, während seine Freunde etliche Jahre lang Zeit hatten, aus Liebe Haß werden zu lassen. Der Tod hält die Liebe am Leben, das ist die bittere, unausgesprochene Moral des Stücks.
Am Ende der verrückten Teeparty hat sich nichts Wesentliches verändert. Als sich der muntere Trauernde endlich wieder verabschiedet, liegen die Ehekrüppel ziemlich groggy in der Sitzgruppe. Nur die gute Marge bringt noch genügend Kraft für ein Schlußwort auf: „Es tut gut, hin und wieder mit Freunden zusammenzusitzen. Einfach schön!“ Miriam Hoffmeyer
Bis 19.2., 20 Uhr, Tribüne, Otto-Suhr-Allee 18, Charlottenburg
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