piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Die tschechische Band Ser Un Peyalero im Schoko-Laden

Einige der interessantesten musikalischen Entdeckungen der vergangenen Jahre kamen aus einem Land, das bis zur Wende als weißer Fleck auf der U-Musik-Landkarte galt. Außer den inzwischen schon legendären Plastik People, die ihre Platten damals im Keller des jetzigen Präsidenten Václav Havel aufnahmen, waren die Bands und MusikerInnen der ehemaligen Tschechoslowakei hier nahezu unbekannt. Gruppen wie Jablkon, Dunaj, Uz Isme Doma und E, Musikerinnen wie Dagmar Andrtova und Iva Bittova haben aber durch ihre Medien- und Marktabgeschiedenheit ganz eigene Musikformen gefunden, die sich auch durch die von ihnen entwickelten Spieltechniken sehr von den Produktionen westlicher KollegInnen unterscheiden.

Auch die Kompositionen der siebenköpfigen Formation Ser Un Peyalero aus Brünn sind schwer mit bereits existierenden Begriffen zu fassen. Schwebende, von Chorgesang getragene Balladen haben brachiale, instrumentale Rockrefrains, auf statische, beinahe marschmäßige Rhythmen folgt eine träge Akkordeonmelodie, Schwungvolles wird unversehens schwermütig. Durch die Besetzung – elektrische und akustische Gitarre, Keyboards, Akkordeon, Baß, Schlagzeug, Klarinette, Sopran-, Alto-, Tenor- und Baritonsaxophon, Trompete und Stimmen – ist die Band in der Lage, nahezu jegliche Stimmung zu erzeugen und ein äußerst abwechslungsreiches musikalisches Rollenspiel zu inszenieren. Die komplexe Klangstruktur, die im Spannungsverhältnis der Instrumente entsteht, ist fließend, obwohl sie von Brüchen lebt. Kirmes- und Volksmusik, Pop, Menuett, Psychedelic und Rock, vieles wird hörbar und bleibt doch nur eine Ahnung im Gesamtgefüge. Um die Verwirrung für die Schubladen-Liebhaber komplett zu machen, singen Per Un Peyalero in drei verschiedenen Sprachen – tschechisch, englisch und deutsch – und treten mit einem ihrer LP-Titel, „Joint is better than Panzerfaust“ für die Legalisierung von Marihuana ein. Anna-Bianca Krause

Heute abend um 22 Uhr im Schoko-Laden, Ackerstraße 169/170 in Mitte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen