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SanssouciVorschlag

■ Nik Turner ist Hawkwind / Nachschlag i Kabarett Köpenick

Hin und wieder trifft man einen Menschen, den man schon länger kennt, dessen Musikgeschmack in großen Teilen mit dem eigenen übereinstimmt, und dann wirft man einen kurzen Blick in die Plattensammlung – so unter „H“ – und fällt fast um, weil sich dort ein Großteil des doch recht umfangreichen Oeuvres von Hawkwind findet. Bei Menschen also, die mit Punkrock groß geworden sind und mit der Überzeugung, daß der ganze Hippi- Kram pulverisiert werden muß. Hawkwind also, mit ihrem auf- und abschwellenden, vermeintlichen Space Sound waren die Abwechslung zur 4/4-Ekstase, waren das Hintertürchen, das man sich offen gehalten hatte, die Verbindung zu den Verfehlungen der Kindheit. Daran, daß ein gewisser Lemmy Kilmister mal als Roadie für die Londoner Musikkommune gearbeitet hatte, 1974 kurzzeitig als Bassist einsprang und nach seiner Entlassung Motörhead gründete – daran allein kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Daß all diese treuen Fans immer gut versorgt blieben, dafür sorgten neben einem überaus beachtlichen Ausstoß seit 1970 auch noch diverse Splittergruppen und Solo- Exkurse, die bei der kommunenähnlichen Organisation und dem permanenten Besetzungswechsel nicht ausbleiben konnten. Erst letzten Dezember hatten wir einige ältere Herrschaften hier, die für sich reklamierten, Hawkwind zu sein. Jetzt folgt Nik Turner, der den Namen zwar nur im Untertitel als „Founder of Hawkwind“ führt, dafür aber behauptet, „The Original Space Ritual“ zu performen. Ob er's finanziell nötig hat, läßt sich nur vermuten bei jemandem, der zuletzt Platten rausgebracht hat, deren interessantester Aspekt war, daß Turners Flötenparts in einer Pyramide aufgenommen waren. Mit seiner letzten Platte beweist Turner immerhin, daß sich nicht nur bei durchschnittlichen Konsumenten die oben beschriebene Psychose durchgesetzt hat. Mitgetan hat auf „Prophets of Time“ solch illustres Personal wie Helios Creed (Ex-Chrome), der gute alte Piercing-Pionier Genesis P. Orridge (Psychic TV und Throbbing Gristle) oder Simon House, schon mal tätig für David Bowie und immerhin einer von früher, den Turner für seine Hawkwind (die nicht so heißen) reaktivieren konnte. Man muß allerdings zugeben, daß Turners Version seine überschlaffen, originalen Ex-Kollegen weit hinter sich läßt. Ansonsten alles beim alten: Songtitel wie „Cybernetic Love“, „Andromeda“ oder „Strontium 90“ sagen alles, auch wenn Turner die Geschwindigkeit der Sequenzer reichlich anzieht. Live dürften viel Licht, Geblitze und noch mehr Nebel zu erwarten sein – alles wie früher eben, jedenfalls fast. Thomas Winkler

Heute 21 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108–114, Neukölln.

NachschlagKabarett Köpenick

Trifft der Kohl einen arbeitslosen Architekten. „Wenn ich nicht Bundeskanzler wäre, würde ich auch gern Häuser bauen.“ – „Ja, wenn Sie nicht Kanzler wären, würde ich auch welche bauen.“ Im Hinterzimmer des Terzo Mondo spielen sich vor einem blauen Instant-Faltdisplay sonderbare Dinge ab. Zwei Männer mittleren Alters schlagen auf Gitarren ein. Sie singen, sie erzählen Witze, und sie versprechen Dinge wie „Bei uns reihern Sie in die ersten Sitze“. Sonst sind sie nett zum Publikum. Für Zuspätgekommene unterbrechen sie kurz das Programm und sorgen sich: „Gibt's Probleme mit den Stühlen?“

Das Freie Kabarett Köpenick (FKK), gegründet 1991, besteht aus dem schmächtigen Liedermacher Peter Werner und dem schmerbäuchigen Andreas Zimmermann, der früher für die „Berliner Stachelschweine“ getextet hat. Gemeinsam prangern die beiden unermüdlich alle Übel dieser Welt an. Sie fürchten weder Papst noch GSG 9, weder die Stasi noch den Treuhandmanager, der Bitterfeld in – na? richtig: – „Bad Süßensee“ umbenennen will. Übergangslos springen sie von einem Thema zum nächsten, kehren aber immer wieder zu ihrem Hauptanliegen zurück: den miesen Politikern. So wird denn weitläufig von einem „Fußballspiel der Spitzenpolitiker ums Absahnen und Abzocken“ berichtet, in dem sich der Kanzler am Ende auf den Ball setzt und die Chose aussitzt. Und zwei am Pissoir zusammengetroffene Bundestagsabgeordnete freuen sich, daß „jetzt aber mehr rausgekommen ist als bei der Debatte“. Das Parlament als Schwatzbude. Ebenfalls nicht ganz neu sind die Vorbehalte gegen die repräsentative Demokratie, die Werner und Zimmermann im Wahllokal entwickeln: „Du gibst die Stimme ab, und dann ist sie weg – wie soll man da mündig sein?“ grübeln sie und ziehen den Schluß: „Demokratie ist, wenn man die Leute nach ihrer Meinung fragt, sich nicht drum kümmert, und alle glauben, sie würden für voll genommen.“ Die Ressentiments im Programm sind genauso vorhersagbar wie die Witze und die Wortspiele.

Was diesem Kabarett trotz allem einen gewissen Charme verleiht, ist zum einen der Spaß, den die beiden Akteure offensichtlich dabei haben, und zum anderen ihre unregelmäßigen und sicher auch unbeabsichtigten Ausrutscher ins Absurde. Warum Zimmermann plötzlich mit einem „Aids-Testgerät“ durchs Publikum läuft, ist durch die Vernunft schon nicht mehr zu erklären. Und ohne jeden Anlaß oder erkennbaren satirischen Zweck fängt Werner plötzlich zu singen an, wie schön er sei. So unprofessionell das FKK ist, so kurios ist es auch. Das stimmt versöhnlich und weckt Hoffnung auf eine ganz neue Gattung: das absurde Kabarett. Miriam Hoffmeyer

6. und 7.5., 12.–14.5., 21.5. und 27.–28.5. um 20.30 Uhr im Terzo Mondo, Grolmannstraße 28, Charlottenburg.

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