piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Kreuzberger Idyll: Das Westbank-Café in der Liegnitzer

„Die Leute sollen ihre Straße wieder lieben und wissen, wie schön sie's hier haben.“ Seit vier Jahren lebt der Palästinenser Lafi Khalil in Deutschland, und vor einem halben Jahr hat er die Kneipe in der Liegnitzer Straße 28 übernommen, die zuletzt wegen chronischer Erfolglosigkeit in einem Jahr wohl zehnmal den Besitzer gewechselt hatte. Doch seit Dezember ist in die kleine Straße zwischen Paul-Lincke-Ufer und Wiener Straße ein Stück südländischer Atmosphäre eingezogen. Im Westbank-Café – wie Khalil es ohne tiefergehende konzeptionelle Hintergedanken genannt hat – trifft sich irgendwie die ganze Straße zum Diskutieren, zum Trinken, zum Essen, und wenn Lafi Khalil Kulturelles organisiert hat, dann kommen besonders viele.

Da interpretiert dann zum Beispiel ein irakischer Schriftsteller Hermann Hesse, ein Nahost-Experte erläutert die Situation in „Palästina nach dem Friedensvertrag“, oder es werden alte Fotos aus dem Scheunenviertel gezeigt. Besonders am Herzen liegt Khalil die aktuelle Foto-Ausstellung. Nicht nur weil es sich um seine eigenen Fotos handelt, sondern vor allem weil sie Menschen aus seiner Straße zeigen. Etwa 25 Bilder hängen an den grünen Wänden „der Westbank“, kleine Beobachtungen unbedeutender Momente, die aber alle zusammen ein Bild der Straße und ihrer Bewohner ergeben. Ein Foto stammt nicht von Khalil, es zeigt die Liegnitzer Straße, wie sie vor 60, 70 Jahren aussah: ohne Autos, voller Leben und mit Geschäften fast in jedem Haus. Es gibt dazu eine kleine Broschüre, mit den Erinnerungen des 80jährigen Günter Grève, der die Liegnitzer aus der Sicht eines Zehnjährigen beschreibt. Khalil hatte ihn mit Maggie Heinen bekanntgemacht, die direkt über der „Westbank“ wohnt und die alles aufgeschrieben hat, was der kleine alte Herr ihr erzählte. An jedes kleine Geschäft erinnert er sich in der Broschüre, an manchen Bewohner und viele Feste, die die ganze Straße damals zusammen feierte. Jetzt wollen die beiden sogar ein Buch über ihre Straße schreiben und sich in Lafi Khalils „Westbank“ der guten alten Zeit erinnern. „Da mußte erst ein Palästinenser kommen, um uns hier zusammenzubringen“, sagt Bernd, der Schreiner, und trinkt auf Maggie, die heute Geburtstag hat. Volker Weidermann

„Verbot“ von Lafi Khalil Foto: Veranstalter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen