Sanssouci: Vorschlag
■ Diving im Groopie de Luxe
Und die Welt verschwört sich gegen dich und grinst – und swingt – und trägt Blumen im Haar und auf den Kleidern. „Das Comeback der Tschaikusis“ oder auch „Dive into the Girlpool“ heißt eine eigentümliche Sommerveranstaltung, und man denkt schon, das könnte vielleicht Anzügliches bedeuten, und das bedeutet es dann auch. Die Tschaikusis, so heißt es, sind die Kultband der Siebziger gewesen und somit – klar – auch die der Neunziger. Denn das ist das Doofe: es machen wirklich alle mit, im völlig überfüllten Groopie de Luxe und auf der Straße sind auch alle wild am Tanzen und geschmeidig die Hüften drehend. Und alle sind wahnsinnig „in“ irgendwie, grell geschminkt, blumig bekleidet und vor allem dieses verflixte Grinsen überall, das ich nur als geheimes Verschwörungszeichen zu deuten vermag. Was soll das denn auch sein: Die Ausstellung, die in dem hinteren der drei rosa Räume aufgebaut ist, besteht aus Fotos, die die drei Frauen, die zusammen die Tschaikusis sind, beim „Proben“ zeigen. Aus irgendwelchen Gründen sind sie meistens nackt oder in dreideutigen Stellungen, dann gibt es noch Fotoalben mit dem Intimsten aus der zwanzigjährigen Bandgeschichte, außerdem Zeitungsausschnitte mit Bill C. und Eberhard D. beim Durchschreiten des Brandenburger Tores („Alles ist möglich. Berlin ist frei!“), als Bild-Aufmacher wegen Sex-Skandalen und auf dem Stern-Titelbild „Wir haben abgetrieben“. Daneben ist ein Hutständer über und über mit Fanpost behängt von Ulrich Meyer bis Heinz Schenk, die alle sooo glücklich sind, daß die Tschaikusis nun also auf die Bühne zurückfanden, und auf einem Tischchen liegt eine Mappe mit Kinderzeichnungen, wie unsere Kleinsten die Tschaikusis lieben und erleben. Auf Video gibt es die Dokumentation einer Bravo-Leserreise zu sehen, die der Olrick aus Dresden gewann und nun einen Tag mit den Tschaikusis in Berlin verbringen darf. Und dann, ja dann treten sie also leibhaftig auf, die Tschaikusis, klagen vor jedem Song, daß ihnen dieser leider von AC/DC, jener von Aerosmith gestohlen worden sei, verfehlen immer wieder magisch knapp die rechte Tonlage und werden von vor Begeisterung kreischenden Fans fast von der Bühne gezogen. Ein Kameramann vom SFB und sein Tonträger kämpfen sich schwitzend durch die Menge, und nach vier Liedern ist alles vorbei, alles grinst und swingt und feiert sich, nur ich kratze mich hinterm Ohr und frage mich: Was war das eigentlich? Volker Weidemann
Das Tschaikusi-Comeback. Dive into the Girlpool, im Groopie de Luxe, Goltzstraße 39, Schöneberg. Noch bis zum 14.8.
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