Sanssouci: Vorschlag
■ Lamberts Zeichnungen
Unbedarft begab ich mich am Wochenende ins Café Mora, wo Zeichnungen von Lothar Lambert, 50, hängen. Der Publizist, Filmemacher, Regisseur, Kameramann, Schauspieler und Schnittmeister präsentiert seine Werke zwischen dampfendem Milchkaffee und Croissants unter dem Titel „Kopfsalat“. Tatsächlich sind auf jeder Zeichnung Männer- und Frauenvisagen abgebildet. In allen Aggregatzuständen.
Lothar Lambert ist ein Mehrfachtalent, ein Genre war ihm noch nie genug. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre hat er mehr als zwanzig billigst produzierte Filme gedreht, allesamt kleine Kunstwerke. Seit kurzem experimentiert er mit Pinsel und Farbe. Irgendwem hat er mal anvertraut, er sei nicht mehr so an Sex interessiert, man werde schließlich nicht jünger. Sex sei für ihn nun die Malerei: Sie befriedige ihn. Das gilt auch für den Betrachter.
Lambert hat für seine Kopf-Kompositionen geniale Titeleien kreiert: „Das Gebet der Bodybuilderinnen“ oder „Wie du mir, so ich dir“ oder „Letzter Galopp der Zirkuspferde“. Lambert kokettiert mit seiner eigenen Eitelkeit, denn auf jede Zeichnung hat er seinen Nachnamen mit drei Zentimeter hohen Lettern verewigt. Als wär's ein Markenzeichen: Lambert, da weiß man, was man hat. Einen Dieb: Sein Zeichenstil ist eine Mischung aus Max Beckmanns schwarzer Konturierung und Motiven Francis Bacons. „Tilla Eulenspiegel“ beleiht Picasso: kubische Formen um einen Frauenkopf drapiert, viel rote und rostrote Töne, dazu ein sibyllinisches Lächeln à la Mona Lisa.
Die „Kopfsalat“-Zeichnungen sind auch eine Hommage an seine Freundinnen und Freunde. Wie sie traurig gucken, stark tun, geknickt vor sich hinsinnen, die Lippen vor Wut zusammenkneifen. Manche Gesichter bestehen aus nur vier, fünf Strichen. Bei „Quartett infernal“ hat Lambert fast ganz auf Farbe verzichtet. Vier Köpfer zerfließen ineinander, das katastrophale Beziehungsgeflecht dokumentieren vier weit aufgerissene, stahlblaue Augenpaare. Wenn ich reich wär', würde ich alle Zeichnungen kaufen. Thorsten Schmitz
Lothar Lambert, „Kopfsalat“, im Kreuzberger Café Mora
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