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SanssouciVorschlag

■ Saddek Kebir im HdKdW

Als Sindbad noch kein Seefahrer und Tindbad noch kein Teefahrer und, ja ja, Sie wissen schon, Drindbad noch kein Drehfahrer und Schnindbad noch kein Schneefahrer war, da war die (literarische) Welt noch in Ordnung. Gerade mal fünf Bücher gab es auf der ganzen Welt, es war die Zeit, als man noch nicht für die Ewigkeit schrieb, sondern Märchen erfand. Sindbad war damals noch ein unbedeutender Lastträger und glücklich mit einer Eselin verheiratet. Das wäre auch so geblieben, hätte nicht Scheherazade, die kluge Gespielin des Sultans, ihn eines Nachts zu den drei Damen aus B. geschickt.

Was? Sie kennen „Die drei Damen aus B.“ nicht? Bitte nicht verwechseln mit den drei Damen vom Grill, die kommen zwar auch aus B., aber aus B wie Berlin – diese Damen dagegen kommen aus Bagdad, und sie sind es, die den kleinen Sindbad erstmals auf abenteuerliche Touren bringen. Doch eine Schande ist es schon, wenn Sie die „Drei Damen aus B.“ nicht kennen, auch wenn Ihnen natürlich sofort klar war, daß der Eingangssatz aus James Joyce' „Ulysses“ stammt. Denn was nützt es Ihnen, wenn Sie sich durch 1.000 (!) Seiten hindurchgelesen haben, um dann endlich auf Gindbad den Gefahrer zu stoßen, wenn Sie nicht einmal wissen, daß Sindbad in den Märchen aus 1001 Nacht einst von den drei Damen aus B. verführt wurde. Wahrscheinlich hat man Ihnen früher auch immer nur „Ali Baba und die 40 Räuber“ vorgelesen, und überhaupt: Wem man heute noch Märchen erzählt, der muß entweder ganz klein sein oder zumindest krank.

Wer beides nicht ist, aber dennoch wieder einmal selig im Polster hängen und hören will, was es mit den drei Damen aus B. auf sich hat, der sollte sich unbedingt auf den Weg ins Haus der Kulturen der Welt machen. Seit Jahren schon erzählt Saddek Kebir dort Märchen aus 1001 Nacht. Die ganze Welt hat er mit seinen Erzählungen schon bereist, nun, in Berlin heimisch geworden, ist er hier schon fast eine Art Institution. Auf meine Frage, wie lange er das hier schon mache, schaut er mich nur weise lächelnd an wie ein alter Orientale, der längst aufgehört hat, die Zeit nach Jahren zu berechnen – vielleicht so weise, doch so alt, wie er sich hier gibt, kann der elegante Mann mit dem kobaltblauen Seidengewand und der pinkfarbenen Haremshose nun auch wieder nicht sein.

Die selbstreflexiven Übungen, die Saddek Kebir zuhauf und gekonnt in die Märchen streut, amüsieren die an die hundert Leute, die hier regelmäßig zuhören, immer am meisten. Sicher: Weil's beim Erzählen doch nicht ums Erzählte, sondern ums Erzählen selber geht. Und deswegen kann aus Sindbad dem Seefahrer auch eines Tages Zindbad, der Zehfahrer werden. Und deswegen werden auch noch 1001 Sommer ins Land gehen, an denen Saddek Kebir erzählt und erzählt, und das Publikum hört und hört und hört zu. Andrea Kern

Saddek Kebir erzählt „Die drei Damen aus B.“ noch am 20. und 27.8., jeweils um 20 Uhr im Haus der Kulturen der Welt.

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