Sanssouci
: Vorschlag

■ Was für alle: Portishead kommen jetzt erst morgen ins Metropol

Was geht da vor? Die tiefe Sehnsucht in jedem nach Ruhe? Die Möglichkeit, endlich die angesagte Musik zu hören, ohne Drogen und Herzinfarkt riskieren zu müssen? Oder einfach der kleinste gemeinsame Nenner? Das wohl vor allem, denn Portishead lassen den ecstasyzittrigen Besucher morgens um fünf an der Bar so entspannen, daß er das nächste Gläschen Red Bull ohne Verschütten an den Mund führen kann. Und locken andererseits den erst dort hin, den eben jenes Klischee bisher abschreckte. Portishead tun so, als wären sie Tanzmusik, dabei kann man zu den bleischweren Beats, die Geoff Barrow so dahermischt, sicher alles mögliche tun, aber tanzen? Barrow holt sich seine Loops direkt vom HipHop, aber verlangsamt sie so, daß sie ihre Funkiness eintauschen gegen ein kopffreundliches Spielchen mit den Grenzen des Möglichen. Den Samples ergeht es ähnlich, ob nun gefunden auf House-Platten, im Reggae oder im Jazz – auch sie werden meist unrhythmisch eingesetzt.

Doch die Programmierkünste von Barrow allein erklären noch lange nicht den unglaublichen Erfolg von Portishead, der sich längst in geschlossener Front von Spex bis zu meiner Lebensabschnittsbegleiterin durchzieht. Das Geheimnis liegt wahrscheinlich einfach darin, daß der instrumentale Hintergrund, der vielen Durchschnittshörern sonst zu angestrengt wäre, kontrastiert wird mit der Stimme von Beth Gibbons, der Stimme des wehmütigen Herzens, der Stimme der bläßlichen, sehnsuchtsvollen Normalität. Gibbons, die früher ausschließlich in Rhythm-&-Blues-Bands sang, kann HipHop ganz und gar nicht leiden. Ihre Stimme aber, die gerne mit der von Billie Holiday verglichen wird, beherrscht sowohl die vibrierende Ereignislosigkeit von Margo Timmins, der Sängerin der Cowboy Junkies, als auch das leere und aufgeblasene Vibrato von Sade. Diese zwar traurige, aber eben deshalb wohl so lebendige Stimme beißt sich mit dem Elektro-Gerüst, das nur aus allernotwendigsten Bauteilen besteht. Ein Rezept, das schon bei Yazoo ganz gut funktionierte, als sich der offensiv seelenlose Synthie-Pop von Vince Clark mit Alison Moyets souligen Vokalexzessen schmückte und so erst ausdrücklich zur Geltung kam. Portishead steht Großes oder zumindest großes Geld bevor, aber selten klang eine finanziell erfolgversprechende Wundertüte faszinierender. Thomas Winkler

Morgen, 20 Uhr, Metropol, Nollendorfplatz