Sanssouci: Vorschlag
■ Göttlich inspirierte Kopien: Lenny Kravitz in der Arena
„Mama Said“: Lenny, bevor du dich mit Küchenkräuteranbau auf die Bahamas absetzt, mußt du hier noch ein bißchen arbeiten – werde Rockstar! Das hat sich der Mann, dessen Mutterwurzeln auf dem Bahamas liegen und dessen Vatereinfluß sich aus der osteuropäischen jüdischen Kultur speist, zu Herzen genommen. Auf seinem vierten Album „Circus“ gibt er den sexy little devil – manchmal sogar in Robert-Maplethorpe-Pose – und ist vor allem eine Recyclingmaschine ohnegleichen. Auf „Circus“ findet sich zwischen Led Zeppelin und Country Gitarre einfach alles – einzig die Schlagzeugparts sind originär.
Seine kreativen Eruptionen hat Lenny Kravitz – laut Plattenfirma – nachts im Hotelzimmer. Manche werden ihm aber auch – das sagt er selbst – von Gott direkt ins Hirn gebeamt. Seltsam nur, daß es trotzdem von Schon-mal-gehört-Passagen nur so wimmelt. Da klingt Elvis Costello in „Circus“ und „Resurrection“, Hendrix und Led Zeppelin bei „Tunnel Vision“ und Prince kommt bei „Don't go and put a bullet in your head“ durch. Das findet der Mann, der mit dem lustigen Lied „Mr. Cabdriver“ seine Karriere begann, nicht komisch. „Das ist immer wieder der alte Vorurf, daß ich kopieren würde. Aber ich schreibe ja nichts ganz bewußt, es passiert mit mir. Gott gibt mir diese Musik.“
Die Originalität entstand in New Yorker Spaghettikochnächten und kommt davon, wenn man den ganzen Tag durch snobby Soho läuft und Musik mit Chamäleonzungen aufsaugt. Daß er dann einfach nur seine Lenny-Soße über das Gehörte gießt, kann man Gott nicht anlasten. Aber wen stört's – der Mann hat viel durchgemacht. Von der „einzigen Liebe meines Lebens“, Lisa Bonett (Cosby Show), hat er sich getrennt und sagt: „Diese Chance krieg' ich nie wieder.“ Erst langsam erholt er sich vom Hippie-Leben mit den falschen Freunden. Nach seiner RockKarriere will er Biobauer auf den Bahamas werden. „Circus“ hat er fast alleine aufgenommen, nur Craig Ross unterstützt ihn manchmal an der Gitarre. Wo er sich hier musikalisch mit seinem rockigen Album von „Justify my Love“, den Song, den er für Madonna geschrieben hat, entfernt, nähert er sich lasziv und nackt auf weißem Fell liegend, an jene wieder an. Allein, weil der Mann seinen scharfen Sixties-Body durch seine Musik perfekt inszeniert, lohnt der Weg ins christliche Recycle-Land. Da sieht auch niemand nach dem Verfallsdatum der Stücke. Annette Weber
Heute, 20 Uhr, Arena, Eichenstraße 4, Treptow
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