piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ „Zany of Sorrow“: Eine Hommage an den Dandy Oscar Wilde

Wenn der Gentleman in der Morgendämmerung unterwegs war, söhnte er sich selbst mit der Existenz der gröbsten Bauerntrampel aus: Ihre Gemüsekarren, schwärmte er, sähen aus wie mit glänzender Jade beladen. Und kurz vor seinem Tod vertiefte er sich noch in die „poetische Farbe“ des Absinths, von dem er zuviel trank. Oscar Wilde wollte in Schönheit leben und starb an der häßlichen Wirklichkeit. Paul O'Hanrahan von der angloirischen Theatertruppe „Balloonatics“, die sich auf die Werke irischer Dichter spezialisiert hat, zeigt nun einen Generalüberblick über Leben und Werk Oscar Wildes: „Zany of Sorrow“ (etwa: „Der Narr des Leids“).

Ein dünner Mann mit nervösen, beweglichen Zügen tritt vor das Publikum. Sein elaboriertes Kostüm – Seidenmantel mit getüpfelten Applikationen, passender Schal – zitiert keine je gesehene Tracht, sondern gewissermaßen die Idee der Mode an sich. Der Dandy Oscar Wilde verwandte jeden Tag Stunden auf seine Toilette. In 25 Episoden, die nahtlos ineinander übergehen, erzählt O'Hanrahan vom Aufstieg des Bürgerlichen in die Creme der Londoner Gesellschaft, von den Triumphen und dem jähen Fall, der Verurteilung zum Zuchthaus wegen Homosexualität. Er zitiert aus Gedichten und Briefen und schlüpft in die berühmtesten Geschöpfe des Dichters. Als Dorian Gray blendet er das Publikum mit einem Spiegel, als Salome versucht er einen Schleiertanz, als Lord Algernon entdeckt er „The Importance of Being Earnest“. Nonchalant reiht er ein Wilde-Bonmot ans nächste.

Für die Zuschauer im Theater „Freunde der Italienischen Oper“ ist dieses Vergnügen jedoch eher begrenzt. Wer wenig über Oscar Wilde weiß, kann dem Turbolauf durch dessen Schicksal kaum folgen. Wer sich besser auskennt, dem bietet der Monolog kaum Neues. O'Hanrahan will alles erzählen und bleibt gerade deshalb an der Oberfläche. Je mehr Stationen auf dem Lebensweg des Dichters er durchläuft, um so statischer wird die Aufführung, und um so sehnsüchtiger erwartet man ihr Ende. Kein Wunder: Der Schauspieler hat nicht nur den Text geschrieben, sondern führt auch noch selbst Regie. Damit wäre wohl jeder überfordert. Gegen Kritik schützt sich O'Hanrahan aber durch ein kluges Wilde-Zitat im Programmheft: „When critics disagree, the artist is in accord with himself.“ Miriam Hoffmeyer

In englischer Sprache. 14.–16.3., 21.–23.3., jeweils 20.30 Uhr, Friends of the Italian Opera, Fidicinstraße 40, Kreuzberg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen