Sanssouci: Vorschlag
■ Das "Poetencafe" bietet Texte über Straße und Straßenmusik
Käse, Oliven und Brot zum Wein sind schon gute Gründe, sich heute abend in die Werkstatt der Kulturen zu bewegen. Aber das ist nicht die einzige Verlockung, die das dort vom Theater Wind- Spiel eingerichtete Poetencafé Augustin Tin Ujević zu bieten hat. In Erinnerung an den in seiner Heimat kultisch verehrten kroatischen Dichter Ujević (1891–1955) wird das abendfüllende Programm seit 1993 an jedem Zwölften des Monats rituell mit Kerzen und drei leeren Stühlen um einen Tisch eingeleitet. Ujević, Melancholiker, Bohemien und Kosmopolit, sonst ansässig in Belgrad, Zagreb, Split und Sarajevo, lebte während des Ersten Weltkriegs in Paris. Hier verkehrte er im berühmten Café Rotonde. Heute will das Poetencafé an diese Tradition des kulturellen Austauschs im Exil anknüpfen.
Am heutigen Abend wird es sich im Poetencafé rund um das Thema Straße und Straßenmusik drehen. Tin Ujević schrieb in seinem „Zölibat eines Obdachlosen“: „Die Ehe und die Wärme eines Heims waren für mich nie so verlockend, daß ich freies Spazierengehen und Ausflüge in die Felder unter der Sonne vergessen habe.“
Neben Lesungen hat das Theater szenische Darstellungen und die Aufführung von Straßenliedern geplant. Der obdachlose Dichter Klaus Lenuweit wird aus seinen Texten lesen, eine Videoaufzeichnung des Stücks „Untergang“ wird zu sehen sein, vom Theater Wind-Spiel 1991 in Zusammenarbeit mit Obdachlosen, darunter auch Lenuweit, auf die Beine gestellt. Es gibt eine Ausstellung, ein Minidrama und schließlich zu später Stunde ein „Happening“: Jeder Besucher ist eingeladen, zu lesen, zu rezitieren, zu singen und zu musizieren. Hierzu haben die Veranstalter nicht nur Menschen eingeladen, die auf der Straße leben, sondern auch Straßenkünstler. Susanne Messmer
Heute um 20 Uhr in der Werkstatt der Kulturen, Wissmannstr. 31-42, Neukölln
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen