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SanssouciVorschlag

■ Berliner Kammerspiele mit "In der Sache J.R. Oppenheimer"

Das Drama ist alt, uralt, fast schon archaisch. Es wurde vor 22 Jahren uraufgeführt und erzählt von Dingen, die ewig zurückliegen. „In der Sache J. Robert Oppenheimer“ ist klassische Schullektüre. Das dokumentarische Stück hat Heiner Kipphardt aus dem 3.000seitigen Protokoll des Untersuchungsverfahrens gegen den Physiker extrahiert. Oppenheimer leitete im Zweiten Weltkrieg die Atomwaffenlaboratorien der Vereinigten Staaten und war an der Entscheidung beteiligt, die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki abzuwerfen. Unter dem Eindruck der entsetzlichen Zerstörung lehnte er es ab, die Entwicklung der Wasserstoffbombe voranzutreiben. Der „Vater der Bombe“ wurde ein Opfer des Kalten Kriegs und der McCarthy-Ära mit ihrer hysterischen Kommunistenhatz: Die Atomenergiekommission führte Oppenheimers Weigerung auf Beziehungen zu Kommunisten zurück und enthob ihn seines Postens.

Seit dem Scheitern der Friedensbewegung wird die Sache Oppenheimer nur noch selten auf der Bühne verhandelt. Die Berliner Kammerspiele wollen dem Zeitstück nun überzeitliche Bedeutung abringen. Von „Aktualität“ keine Spur; Bühne und Kostüme kommen direkt aus dem Fifties-Museum: schwere dunkelrote Vorhänge, noch schwerere Brillen, Hüte und Zweireiher, Standascher und Eiswürfel. Der unermüdlich an seiner Pfeife nuckelnde Oppenheimer (Rüdiger Kuhlbrodt) gibt sich vornehm genervt, die Gegenspieler verkommen zu Schießbudenfiguren: der Geheimdienstoffizier (Claus Stahnke) ein brutaler Metzger, der Physiker (Michael Delcroix) ein vertrottelter Anekdotenonkel, der Air-Force-Vertreter (Franz Viehmann) ein paranoider Dummkopf. Durch klassische Gerichtsfilm-Ästhetik versucht Regisseur Hermann Kleinselbeck, die Statik des Stücks aufzulockern: Wer etwas zu sagen hat, springt auf. So plump all diese Regietricks auch daherkommen, erstaunlicherweise kann Kipphardts Erfolgsstück sie vertragen. Die pointierten, oft witzigen und immer spannenden Dialoge zeichnen Konflikte, die heute nicht weniger schmerzhaft sind als damals, den Widerspruch zwischen Forschungseifer und Verantwortung wie die Mühsal der Entscheidung, wem unbeschränkte Loyalität zusteht. „In der Sache J. Robert Oppenheimer“ ist mehr als eine Geschichtsstunde. Miriam Hoffmeyer

Di.-So., 19.30 Uhr, Berliner Kammerspiele, Alt Moabit 98, Tiergarten, Tel. 391 55 43

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