Sanssouci
: Vorschlag

■ Man darf wieder doof sein. Fritten & Bier heute im Boudoir

„A little bit equal“: Fritten & Bier Foto: promo

Hat sich jemand eigentlich mal die Frage gestellt, warum jeder zweite VIVA-Moderator sich bemüßigt fühlt, auch noch selbst Musik zu machen? Haben die vielleicht eine Betriebsvereinbarung? „Per Paragraph sowieso verpflichten wir unsere Mitarbeiter, in einem Zeitraum von zwei Jahren mindestens eine Schallplatte zu veröffentlichen“? An Fritten & Bier, der Band in und um VIVA-Buntschopf Nils Bokelberg herum, wird noch ein anderes Phänomen offensichtlich. Man darf in Deutschland wieder doof sein. Es fing an mit dem Schlager-Revival. Dann kam Stefan Raab und nahm mit Jürgen Drews dessen „Ein Bett im Kornfeld“ neu auf. Schon zuvor wurden Die Doofen, auch sie Fernsehstars, Nummer eins der deutschen Charts. Was ist dagegen zu sagen? schreien die Dummeier und klopfen sich zu Hause die Schenkel wund. Die Antwort muß lauten: nichts. Doch wer doof ist, ist nicht zwangsläufig lustig.

Eines weiß ich genau: Sollte ich je mit Fritten & Bier auf einer einsamen Insel stranden, was der liebe Gott verhüten möge, müßte ich mir das Lachen abgewöhnen. Oder mich mit den ortsansässigen Kannibalen verbünden. Ist es etwa heute noch lustig, sich über pubertierende Bravo-Leser lustig zu machen, die als erstes den Aufklärungsteil aufschlagen? Oder etwa „Ein bißchen egal“ mit „A little bit equal“ zu übersetzen? Gibt es tatsächlich Menschen, die sich amüsieren, wenn man besoffen zur Wandergitarre „Sailing“ nachäfft? Aus dem Alter, wo ich beim bloßen Erwähnen von Wörtern wie Jungfernhaut, Poppen, Fotze, Zungenkuß oder Beule in der Hose losgrölte, bin ich wohl jedenfalls endgültig raus.

„Sex Sells“, haben Fritten & Bier wohl irgendwo aufgeschnappt, und nun scheinen sie den Teenagern mal so richtig eins reinwürgen zu wollen. Und so lieblos wie der Witz ist auch die Musik. Für sich können die Songs schon als ganz nett durchgehen. Doch insgesamt ist die Platte ein abgekartetes Spiel, bei dem nichts fehlen darf, ob es nun Grunge, TripHop, Metal-Rap- Crossover, Schlagerverballhornung, Blumfeldverarsche oder Punkrock ist. Fritten & Bier machen weniger Musik als vielmehr eine Nachmittags-TV-Comedy vom Reißbrett. Zwar ohne Bilder, aber dafür fehlt das Lachen vom Automaten nicht. Thomas Winkler

Heute, 22 Uhr, Boudoir, Brunnenstraße 192, Mitte