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■ VorschlagDer Kopf als atmender Farbraum: Akos Birkas in der daad-Galerie

Die Bilder des aus Budapest stammenden Malers Ákos Birkás üben eine beunruhigende, drängende Sogwirkung aus. Zugleich wirken sie in Serie fast meditativ. Dabei sind sie farblich durchaus kräftig unterschieden, nur Form- und Konstruktionsprinzip der dominierenden Großformate gleichen einander. Vom Künstler „Köpfe“ genannt, gesellen sich ihnen als „Fußnoten“ kleine Ölstudien auf Holz zu wie sanft verhallendes Echo. Die Kopfformen ähneln einem aufgestellten Oval oder einer Frucht, deren Kern und Schale unmerklich ineinander übergehen. Gebildet aus pastos strömenden roten, blauen oder grünen Farbbahnen, aufgetragen mit dem Gummispachtel, entwickeln sie sich aus dunklem Zentrum zur weich ausschwingenden Peripherie. Frei stehen sie im meist gelb oder tonigweiß ausgemalten Bildraum, der im Farbauftrag die Rechteckform der Leinwand wiederholt.

Die körpergroßen Dimensionen der Werke lassen die Idee vom Kopf auf den ganzen Menschen übertragbar, die Ausmaße der ovalen Grundform als von der Körperaktion diktiert erscheinen. Man wird an die berühmte Proportionsstudie von Leonardo erinnert, nur tritt anstelle des Gegensatzes von organischer und geometrischer Form die Auflösung als abstrakte Interaktion. Atmende Farbräume, den Farbkissen von Gotthard Graubner nicht unähnlich.

Ein entscheidendes Kompositionsprinzip gilt es noch nachzutragen: Alle Gemälde sind zweiteilig. Was sie vom herkömmlichen Diptychon unterscheidet, ist die versetzte Anordnung jeweils zweier nicht ganz gleich großer, aber in sich kompletter Bilder, die sich teilweise überlagern. Die Ovalform als Ganzes ergibt sich nur durch Addition. Als gepaarte und doch räumlich gebrochene Einheit von bergender Kraft, lassen sich Birkás' Reihen stets verschieden interpretieren, ihre ästhetische Suggestivkraft bleibt davon unbenommen. Michael Nungesser

daad-Galerie, Kurfürstenstraße 58, bis 23. Juni; täglich 12.30 bis 19 Uhr, Katalog 25 DM

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