■ Vorschlag: Trickfilme: Murksen und Morden mit Mariola Brillowska
Den Titelhelden eines zwanzigminütigen Zeichentrickfilms über einen Totengräber „Grabowksi“ zu nennen ist eigentlich nur konsequent. Ausgesprochen formtreu und unmißverständlich ist die Animationsfilmerin Mariola Brillowska in ihren kurzen Trickfilmmoritaten. Strichmännlein und –fräulein, die wie Zyklopen herumlaufen, mitten im Gesicht meist wenig mehr als ein „immergeiles Loch“. Krude Figuren, die – mittels Stoppelbehaarung oder Strapsbeinen als weiblich und männlich identifizierbar – auch miteinander reichlich roh umspringen. Morden und murksen durch die Brillowskasche Bildwelt, die wie mit der Kaltnadel ins Bild geritzt ist. Manchmal lieben sie sich, meist aber machen sie nur lieblos Liebe.
Nehmen wir „Grabowski“, eine Comicfigur mit Eraserhead- Schädel, die in den Westen auswandert, um einerseits Gräber auszuheben und andererseits Witwen zu beglücken. Im Notfall erscheint ihm auch fern der Heimat sein Woityla, während er polnische Zigaretten raucht, deren Rauch die Zeichnerin aussehen läßt wie Sprechblasen, und mit denen sich ihre Figuren glatt gegenseitig erschlagen könnten.
Wesentlich eleganter kommt nur Brillowskas letzter Film „Flash Fairy“ (1996) daher. In sanfteren Tönen und geschmeidigeren Linien gestaltet, ist dies eine Mischung aus Publikumsbeschimpfung und Märchen von einer Kunstfee, die doch bitte als Superwoman der Künste vom kunstsinnigen Geschwafel der Theoretiker befreien möge. Brillowska liefert hier zusätzlich eine perfekte Klangkulisse aus scheinbaren Originaltönen aus Galerien und Katalogen (denen Max Goldt seine Stimme lieh) und den Stoßseufzern der Künstlerin.
Brillowska, 1961 in Sopot, dem „polnischen Las Vegas“, geboren, seit den frühen Achtzigern Wahlhamburgerin mit Studium an der dortigen Hochschule für bildende Künste, kam eher umständehalber zum Animationsfilm: um ihren Hang zu Bildergeschichten mit der eigenen Prosa und Lyrikproduktion zu verbinden. Nachdem sie für „Grabowski“ (1990) auf den Filmtagen in Oberhausen ausgezeichnet wurde, blieb sie dabei und arbeitet derzeit an ihrem 9. Film, der nach den kurzen Formaten von 5 bis 20 Minuten als abendfüllendes Werk konzipiert ist.
Das polnische Kulturinstitut zeigt nun eine Auswahl ihrer Arbeiten, kombiniert mit einer Lesung in Performance-Charakter. Reznicek, der sich als später Nachfahre des Marschmusikanten versteht, begleitet Brillowskas Lyrik mit eigens komponierten atonalen Klängen. Gudrun Holz
Heute, 20 Uhr, Polnisches Kulturinstitut, Karl-Liebknecht-Straße 7, morgen, 22 Uhr, Mysliwska, Schlesische Straße 35.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen