■ Vorschlag: Quintessenz des Raga – Srinivas, der Meister der indischen Mandoline, im Haus der Kulturen
In den sechziger Jahren, als George Harrison zur Sitar griff und Ravi Shankar in Woodstock auftrat, da war Indien plötzlich ganz nah. Die Beatles verstanden sich ja nicht nur als schnöde Klangverwerter, sondern waren ernsthaft um inbrünstige Schülerschaft in fernöstlicher Weisheit bemüht. Die exotischen Klänge jener Jahre, begleitet von Räucherstäbchenschwaden und Hesse-Lektüre, waren ein Synonym für den Aufbruch in eine neue Zeit, in der sich Orient und Okzident im Geiste universaler Verständigung in den Armen liegen sollten. Die Utopie endete bekanntlich im Klischee, irgendwo zwischen gemeinsamer Guru-Visite und Goa-Absturz: Paint it black. Wenn heute also picklige Pilzköpfe wie die Britpoper von Kula Shaker wieder die Sitar malträtieren, um ihrem nostalgischen Geschrammel eine Prise Originalität beizumengen, dann ist das nicht bloß „retro“, sondern vor allem ziemlich blöd und zudem morgen schon wieder vergessen.
Die Einführung der Mandoline, bekanntlich westlicher Herkunft, in die klassische Musik Südindiens zeigte da weit nachhaltigere Wirkungen. Nicht nur ist das Instrument inzwischen aus dem Karnatak, wie die südindische klassische Musik heißt, nicht mehr wegzudenken. Der, der sie einführte, verdankt ihr wohl auch seinen Superstarstatus: U. Srinivas.
Mit sechs Jahren begann der älteste Sproß einer Musikerfamilie das Mandolinenspiel, mit neun hatte er seinen ersten Auftritt beim Shri Tyagaraja Aradhana-Musikfestival, dem größten Südindiens. Die typische „Wunderkind“-Karriere also, die den Boris Becker des Raga-Spiels fortan in alle Welt, von Singapur über die Emirate bis Kanada führte und ihn Preise und Ehrungen sammeln ließ wie andere Leute Telefonkarten. Darum darf er auch so klangvolle Titel wie „Mandolin Samrat“, „Sangeeta Choodamani“, „Swara Kishore“ und „Andhra Ratna Kalasaraswati“ führen und ist außerdem Ehrenbürger der Staaten Maryland und Columbia, USA.
1983, beim JazzFest Berlin, trat er zuletzt in dieser Stadt auf, im Alter von 15 Jahren. Wer ihn damals verpaßt hat, der hat jetzt nochmals die Gelegenheit, den Mann zu hören, von dem der Indian Express schrieb, ihm gelänge „innerhalb von zehn Minuten die Quintessenz des Raga“. Daniel Bax
Heute um 20 Uhr im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten
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