■ Vorschlag: „Winternächte im Tropenhaus“: Akustik, Führung und eine Lesung
Es muß ein eigenartiges Bild gewesen sein, wie vorgestern eine Gruppe von Leuten bei klammer Kälte und sternenklarem Himmel auf dunklen Wegen vom Botanischen Museum zum großen Tropenhaus wanderte. Drinnen verteilten sich die Menschen auf den schmalen Pfaden, die durch den kultivierten Dschungel führen, knöpften ihre Mäntel auf und atmeten die schwüle Luft. Akustische Simulationen und eine Führung durch die Tropenhäuser gehören zum ersten Teil der „Winternächte im Tropenhaus“, einer Veranstaltung des Botanischen Museums im Rahmen von Schauplatz Museum, das der Museumspädagogische Dienst dieses Jahr zum zehnten Mal ausrichtet. Dieses kleine Festival, das einen fast beängstigenden Publikumszuwachs hat, möchte den Museumsbesuch zu einem mit allen Sinnesorganen erlebbaren Ereignis machen.
Im dunklen Dahlemer Tropenhaus beginnt sich denn auch die gesamte subtropische Fauna klanglich zu regen, wie man es aus Filmen kennt, in denen eine unheimliche Nachtszene im Urwald vorkommt. Der Raum scheint plötzlich von Abertausenden von Tieren bevölkert, bis ein näherrückendes Gewitter sie verstummen läßt. Dann beginnt es akustisch so überzeugend zu regnen, daß die Besucher in dem nach Erde riechenden Tropenhaus eine sehnsüchtige Erinnerung an Sommergewitter überkommt. Ein glutroter Sonnenaufgang beschließt die tropische Nacht, dann werden die Quecksilberlampen angeknipst, es wird Tag und Zeit für den zweiten Teil des Abends.
Ihn bestreitet, mit einer hellblauen Federboa und fingerlosen Handschuhen aus Spitze wie eine kapriziöse Blume geschmückt, die Schauspielerin Tatja Seibt. Sie liest verschiedene Texte, die sich mit Gerüchen beschäftigen. Leider ist die Auswahl eher langweilig. So badet Dorian Gray emphathisch in Rosenduft, und auch der unvermeidliche Patrick Süskind mit seiner olfaktorischen Supernase Grenouille fehlt nicht. Quasi als Scharnier zwischen den Sinneseindrücken fungiert eine knappe, aber lehrreiche Führung durch die Tropenhäuser. Zum Abschluß gibt es ein liebevoll angerichtetes Buffet mit bunten Säften und kleinen Piekern, an denen Früchte stecken. Dennoch: Die tropische Winternacht ist etwas überladen, und teilweise hätte man sich auch mehr Sorgfalt gewünscht. Katrin Schings
Bis 31.1., 19 Uhr, Eintritt 30 (18) DM, Eingang Botanisches Museum
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