■ Vorschlag: Wandmalerei von Heike Hamann in der Giedre Bartelt Galerie
Die Galerie als „white cube“ wird immer flexibler. Im Bonner Kunstverein läßt der österreichische Medienkünstler Peter Kogler die Galeriewände in Schwingung geraten, in Berlin werden von Heike Hamann die Wände neu strukturiert. Als wolle sie dem Jugendstilhaus, indem sich die Giedre Bartelt Galerie befindet, eine neue Ordnung aufzwingen, bringt sie vollflächig ein schwarzweißes Karomuster in dessen Inneren auf. Der erste Eindruck ist, die Wand sei in gleichmäßige Rechtecke aufgeteilt worden, um die entstandenen „Rahmen“ mit Bildern zu bestücken. Doch die abgerundeten Begrenzungen der Stirnwand nehmen dem Muster etwas von seiner Strenge und lassen darüber hinaus an eine unendliche Fortführung denken. Die Wand wird zu einem Fenster.
Schon einmal hat Heike Hamann direkt die Wand bemalt, das war 1996 in der Moskauer Galerie Aidan. Auch dort arbeitete sie reduziert auf Schwarz und Weiß. Kreuz und quer, abwechselnd schwarz, dann wieder weiß gemalte Farbbahnen, die teils transparent übereinandergeschichtet sind, erzeugten damit ein ganzes Spektrum an Grauwerten.
Die Künstlerin, die 1994 bei Bernd Koberling ihren Meisterschülerinabschluß gemacht hat, jongliert geschickt mit verschiedenen Ebenen. Sei es, daß sich bei den Schwarzweißmustern vibrierende Simultankontraste ergeben, oder sei es, daß (wie bei einigen Papierarbeiten) das strenge Muster durch inselartige Leerstellen unterbrochen wird, wodurch man wie bei Vexierbildern die Leerstellen als Form erkennt oder nur die zart gefärbten Linien. Dazu kommt noch, daß die größtenteils wachsgetränkten Papiere transparent werden, wodurch eine eigenartige Unschärfe entsteht.
Optische Physik wiederum hat Hamann erfahrbar gemacht, als sie 1995 im Bahnhof Westend eine begehbare Camera Obscura gebaut hatte. Ein Modell davon wird in der Galerie gezeigt. Und ein Beispiel, was mit Stühlen in der Kamera passiert, wenn sich Bild und Abbild begegnen, hängt als Foto aus. Hamanns Arbeiten, die stark zum Minimalismus tendieren, zeigen, daß die Reduktion der Mittel, sei es Farbe oder Struktur, den Betrachter umgekehrt proportional für ihre Wirkung sensibilisieren. Wer seine Sinne entsprechend schärfen will, sollte sich diese Ausstellung ansehen. Rudi Szameit
Bis 8. 2., Di.-Fr. 14-18.30 Uhr, Sa. 11-14 Uhr, Giedre Bartelt Galerie, Wielandstraße 31, Charlottenburg.
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