■ Vorschlag: Glimm, inneres Feuerzeug, glimm! Suzanne Vega in der HdK
Das Leben ist immer wieder für Überraschungen gut. Wer dachte, Suzanne Vega hätte ihre Jugend in der Zurückgezogenheit ihres Mädchenzimmers in Gesellschaft ihrer Leonard-Cohen-Plattensammlung verbracht, den belehrt sie im aktuellen Pressetext ihrer Plattenfirma eines Besseren: „Meine Babysitter hören Motown Soul, meine Eltern den Cool Jazz der Sixties und Bossa Nova.“
Wie denn, was denn? Bis jetzt war davon recht wenig zu merken! Wie zum Beweis wartet Suzanne Vega auf ihrem aktuellen Album, auf dem sie als amüsierte Sixties-Eva mit giftig grünem Apfel posiert, mit einer klassisch-lasziven Bossa-Nova-Nummer (“Caramel“) und flüchtig-percussiven Latin-Einsprengseln auf. Über allem rauscht ein agiles Schlagzeug, das die eingängigen Melodien antreibt. Um Sinnlichkeit und Tod kreisen die „Neun Objekte der Begierde“, die in Wahrheit zwölf flotte Kurzgeschichten sind und das innere Feuerzeug zum Glimmen bringen – nur kommen sie nicht mehr so ätherisch-anämisch daher wie einst. Ihre introvertierte Pop- Poetry stagnierte und endete, auf dem Tiefpunkt, im Stillstand eines „Days of open hand“, bevor Suzanne Vega auf dem nachfolgenden Werk „99,97 Fahrenheit“ jenen vorschnell als „Industrial Folk“ etikettierten Stil- und Imagewechsel hin zur mondänen Entertainerin vollzog.
Die Mutterschaft soll es gewesen sein, die Brustkorb, Stimme und Bandbreite ihres Repertoires weitete, und Mitchel Froom, der Vater, spielte auch als Produzent, Arrangeur und Keyboarder eine tragende Rolle in dieser Entwicklung. Suzanne Vega, die schon immer ein bißchen an Birkin, Baez oder Carole King erinnerte, fügt sich nun vorzüglich ins Zeitalter der allgegenwärtigen Retrospektive. Daniel Bax
Am Sonntag ab 20 Uhr in der HdK, Hardenbergstraße 33, Charlottenburg
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