■ Vorschlag: Intarsien einer Beziehung: Yvonne Rainers „Murder and Murder“
Die ersten Kurzfilme benutzte Yvonne Rainer – damals noch Choreographin – als dramaturgisches Element in ihren Tanzinszenierungen der frühen siebziger Jahre. Einige formale Kriterien aus diesen Arbeiten gelten auch für ihren neuesten Film „Murder and Murder“: die szenische Montagetechnik, die Beschäftigung mit dem Körper als zentralem Filmobjekt.
Platt gesprochen ist „Murder and Murder“ ein Film über Brustkrebs mit Einsatz von schwarzem Humor. Erzählt wird auf der Folie einer Liebesbeziehung. Doris (Joanna Merlin), Anfang sechzig, und Mildred (Kathleen Chalfant), Mitte fünfzig, pflegen ihre Zweisamkeit mit langen Gesprächen und ausgedehnten Mahlzeiten am Küchentisch und gelegentlich auch mit dem Liebemachen darunter. Der Film folgt dem lesbischen Paar dabei bis in die Intarsien seine Beziehung.
Daß Doris die Brustamputation bereits hinter sich hat, kommt eher en passant zur Sprache. Vielmehr wird in Spielszenen das Umfeld abgeleuchtet und auf etwaige Homophobie abgeklopft. Doris' Kaffeekränzchen mit ihrer erwachsenen Tochter beispielsweise wird dabei zu einem verklemmten Unterfangen, bei dem auf kuriose Weise die Generationsstereotypen vertauscht sind und die Mutter zum x-tenmal das Coming-out probt.
Hinzu kommen Gestalten aus der Vergangenheit, die den Handlungsverlauf kommentieren. Für diese unsichtbar, sitzen sie neben den beiden Protagonistinnen: Mildred als Mädchen und die Mutter von Doris. In dieser Manier schaltet sich auch die Autorenfilmerin Yvonne Rainer selbst regelmäßig in die Handlung ein. Im strengen dunklen Abendanzug und einem gestärkten Oberhemd, das den linken Oberkörper und Rainers Operationsnarbe freiläßt, spricht sie von den „Todesarten“, die speziell Frauen betreffen, und von der Statistik: „Alle zwölf Minuten stirbt eine Frau an Brustkrebs.“ Gudrun Holz
„Murder and Murder“, ab heute in der Filmbühne am Steinplatz
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