piwik no script img

■ VorschlagSchuhe beim Schulpsychologen – The Eels und September 67 im Trash

„Hello cruel world!“ Mit diesen Worten begann the Bandleader formerly known as Mark Everett und inzwischen einigermaßen bekannt als E seine Karriere. Doch mit Ecstasy oder gar Energie hatte bereits das Debütalbum „A man called E“ wenig am Hut. Eher schon ging es um Emotionen, die sehr sachte in Klänge aus türkisfarbenemSeidenpaier gewickelt wurden. Keine scharfen Kanten, kein Rumgeröhre, kein Schmirgelpapier – und das obwohl die autobiographisch inspirierten Lyrics bereits damals das Drama des bedrückten Kindes zwischen Suburbia und Schulpsycholgen (und die Erinnerung daran) aus allen denkbaren Winkeln ausleuchteten.

Zum fröhlichen Mitsummen Zeilen wie „I don't know how I got this far the way that I've been kicked around“, eine kleine Sinfonie für Spielzeugklavier in G-Moll und obendrauf E's Tune: „If I had a million bucks ist wouldn't matter, cause my soul's always climbing a ladder“. Da war was dran, denn wer glaubt, der inzwischen über dreißigjährige Sänger, Gitarrist und Keyboarder hätte nach dem zweiten, mit ansatzweise optimistischen Augenblicken angereicherten Album „Broken Toyshop“ und ein paar Jahren Selbstfindung sich langsam mit der Welt vertragen, irrt: Mit den vor zwei Jahren in Los Angeles gegründeten Eels legt er erst richtig los, und hätte Kurt Cobain „Beautiful Freak“ noch zu hören bekommen, wäre alles vielleicht ganz anders gekommen. Seltsame Samples, warme Melodien und seine gebrochene Stimme verleihen dieser neuen Hommage an die gescheiterte Existenz im Zeitalter der totalen Ungemütlichkeit eine verdammt eigene Note, der mit „Alternative Rock“ weniger beizukommen wäre als mit so einem schnuckeligen Nonsensterm wie „Losercore“. Und damit allen, die im November letzten Jahres schon die Live-Qualitäten der Band genossen, nicht langweilig wird, spielen im Vorprogramm diesmal statt der sehr okayen Victoria Park aus Berlin die Erfinderinnen des „Southern Gothic Pop“: Shannon Worrell (Gitarre) und Kristin Asbury (Schlagzeug) alias September 67, die derzeit auf den Pfaden von Liz Phair und Penelope Houston mit ihrem ersten Longplayer „Lucky Shoe“ spazierengehen. Ihre klugen, sensiblen und nahezu literarischen Texte unter- und übermalen sie nur dort, wo es wirklich nötig ist. Wie bei den Eels entsteht auch die Schönheit ihrer Songs als Produkt einer verdichteten Melancholie, die beim Blick in den Spiegel vor lauter Erstaunen alle Powerchords vergißt und auch mal ohne Feedback-Orgien auskommt. Gunnar Lützow

The Eels und September 67, heute abend 21 Uhr im Trash

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen