■ Vorschlag: Schillernde Rembetiko-Roots - Vortrag und Konzert in der WdK
Vorschlag
Schillernde Rembetiko-Roots – Vortrag und Konzert in der WdK
Zu Beginn dieses Jahrhunderts, im Osmanischen Reich, als die griechische Landbevölkerung in die Großstädte Griechenlands und Kleinasiens abzuwandern begann, da erfanden sich die Landflüchtigen eine Art urbanen griechischen Blues. In der Verbindung östlicher Mittelmeerklänge mit sozialkritischen Texten spiegelte sich das Lebensgefühl einer neuen städtischen Subkultur wider. Als das Osmanische Reich zusammenbrach, führte der Krieg um die Vorherrschaft über Kleinasien zwischen Griechenland und der Armee Mustafa Kemals, des späteren Atatürk, in die Katastrophe der Vertreibung. Mit dem Friedensabkommen im Jahr 1923 wechselten über eine Million Christen nach Griechenland und etwa 400.000 Muslime aufs türkische Festland – ein Bevölkerungstransfer, den man heute wohl „ethnische Säuberung“ nennen würde.
Um Athen, Piräus und Thessaloniki wucherten bald riesige Flüchtlingsghettos als Ergebnis des Exodus. Am Rand der großen Städte drängten sich die „Rembetes“, die sich mit etwas Glück als Tagelöhner verdingten und ansonsten in Drogenkonsum flüchteten. Im Rembetiko verschmolzen griechische und orientalische Einflüsse zu einem neuen Sound. Weil Rembetiko unter deutscher Besatzung wie auch unter griechischer Diktatur verfolgt wurde, galt er der Linken stets als Musik des Widerstands. Heute ist Rembetiko, allen Revivals zum Trotz, größtenteils schillernde Geschichte, wenn auch von Liebhabern liebevoll gepflegt und als Grundlage griechischer Nationalkultur längst anerkannt. In Deutschland widmen sich nicht wenige Gruppen, etwa die Berliner Zotos Compania, einer zeitgemäßen Rembetiko-Interpretation. Die sieben Musiker, die für das heutige Konzert eigens aus Griechenland angereist sind, werden heute abend jedoch die Rembetiko-Roots ausgraben. Schon ihr Instrumentarium weist auf die vielen Paten des Mittelmeerblues hin: die griechische Bouzouki, die türkische Baglama, die arbaische Ud sowie Gitarre, Akkordeon, Violine und Banjo. Um den Musikern besser folgen zu können, wird das Konzert durch einen Vortrag von Panagiotis Kounádis (19 Uhr) eingeleitet. Daniel Bax
Ab 21 Uhr, Werkstatt der Kulturen, Wissmannstraße 32, Neukölln
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