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■ Vorschlag"Needcompany's Macbeth": Jan Lauwers im Hebbel Theater

Zu Beginn und am Ende wird das Publikum von der Bühne aus angeleuchtet, hart und grell. Das will unangenehm sein und ist es auch. Vielleicht will es auch heißen, daß das Drama in den Köpfen der Zuschauer stattfindet, was allzu didaktisch wäre, aber ebenfalls zutrifft. Überhaupt hebt diese Adaption von Shakespeares „Macbeth“ durch den 40jährigen belgischen Regisseur Jan Lauwers und seine Needcompany immer wieder zur Bedeutungshuberei an, um dann in der Geste innezuhalten oder sie in einer anderen Richtung weiterzuführen, so daß man tatsächlich nur noch sich selbst hat, um sich zu orientieren.

Beim schwer faßbaren Schlußbild etwa: Wenn alles vorbei ist, kommt Carlotta Sagna noch einmal auf die Bühne. In den 100 Minuten zuvor war sie eine der Hexen, ein Sohn von Macduff und auch mal Lady Macbeth. Sie hat die anderen mit einem Stabmikrophon hautnah belauscht, hat Flaschen zerschmissen, ihre Hand mehrfach in eine Schale mit Blut getaucht, hat alles mögliche gemacht, jetzt gelingt ihr der Rest. Kunstblutüberströmt, in weißer Unterwäsche und mit aufgelöstem Haar steigt sie auf den etwa fünf Meter langen Tisch, der rampenparallel die Bühne dominiert, läßt ihr Mikrophon gegen die Hüfte prallen und stößt es mit einem Hüftschwung wieder ab. Rhythmisch trommelnde Musik setzt ein, wird schneller, Sagna bumpt immer heftiger mit dem Mikrophon. Dann beginnt sie zu lachen. Was heißt lachen! Ein Ausdruck ausgelassenster Freudlosigkeit ergreift von ihrem Gesicht Besitz, den man nicht glaubt, hat man ihn nicht gesehen. Rätselhaft bei scheinbarer Klarheit ist dieses Theater überhaupt. Blut fließt, doch gestorben wird im Off oder in der Phantasie. Rollen wechseln, dann wieder nicht. Anflüge von Witz und Schönheit, verneint durch eine aggressive Akustik: Glas splittert, vielfach verstärkt, Schritte klackern auf dünnen Steinplatten. Pausen. Dann Chaos und Wahnsinn – diszipliniert. Hut ab, wer den gekürzten englischen Originaltext Wort für Wort versteht. Aber das muß man gar nicht. Herrisch vergrübelt spielt Viviane De Muynck den Macbeth in einem glitzernden Damenanzug. Wer tot ist, geht einfach von der Bühne. Wer noch lebt, irgendwann auch. Theater, das dir begegnet wie Hamlet der Geist seines Vaters. Petra Kohse

Noch heute und morgen, 20 Uhr, Hebbel Theater, Stresemannstr. 29

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