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■ VorschlagAufstand der Ampelmännchen: Fotografien von Rainer Steinhart

DDR-Ampelmännchen Foto: AP

Ein Mann hat Feuer gefangen. Er hält eine Fackel in der Hand, mit der er seine Hosenbeine entfacht zu haben scheint. Seine Haltung signalisiert Schrecken, aber er steht völlig starr, als sei jede Gegenwehr zwecklos. Die Szene spielt in Guadalajara, Mexiko. Ampelleben. Das dramatische Ringen des Mannes mit dem Feuertod ist nichts weiter als eine Fußgängerampel, bei der Farbe abblättert und auf diese Weise wilde Szenen zum Vorschein kommen. Rainer Steinhart hat sie fotografiert, aus nächster Nähe und im Detail. Seit mehr als sechs Jahren wandelt er auf den Spuren jener bedrohten Spezies. Das Artensterben ist in vollem Gange. Selbst das beliebte Ampelmännchen der DDR ist im Lauf der Jahre durch den genormten Euromann ersetzt worden.

Der Restaurateur und Fotokünstler Rainer Steinhart sah Handlungsbedarf. Mit der Obsession eines Sammlers hat er Signallichter in über dreißig Ländern fotografiert, aber je länger man die Galerie abschreitet, desto mehr verwandelt sich die internationale Typenkollektion zu gestalteten Bildern – mal szenisch konkret, mal zu abstrakten Strukturen. Das Bostoner Ampelmännchen trägt eine Art Kantenhaus vor sich her, während ein deutsches Exemplar aus Frankfurt wie eine Paketsendung verschnürt ist. Ein Artgenosse in Riga präsentierte sich gar als erotisch verführerischer Akt.

Anfang der siebziger Jahre hatte der französische Philosoph Jean Baudrillard angesichts der New Yorker Grafitti, die das gesamte Stadtbild mit einer geheimnisvollen Sprache überzogen, vom „Aufstand der Zeichen“ gesprochen, so etwas wie eine postmoderne Rebellion gegen jede Form von Sinnproduktion. Das Grafitto als war demonstrativer Widerstand gegen das Verkehrszeichen. So gesehen erzählen Steinharts Bilder nun von der wundersamen Weigerung der Ampelmännchen, nichts als den Verkehr zu regeln. Harry Nutt

Di–Fr 14–20, Sa/So 15–22 Uhr, Märkisches Ufer 30, Mitte

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