■ Vorschlag: Gerhart Hauptmanns „Der rote Hahn“ im Deutschen Theater
In den Kammerspielen des Deutschen Theaters gab es vergangenen Freitag ein ziemlich unbekanntes Stück von Gerhart Hauptmann: „Der rote Hahn“. Es ist die Fortsetzung eines ziemlich bekannten, vom „Biberpelz“. Und während Teil eins vor ein paar Jahren von Thomas Langhoff nebenan im Deutschen Theater inszeniert wurde, führt diesmal der Schauspieler Horst Lebinsky Regie, zum ersten Mal an diesem Haus.
Mutter Wolffen heißt jetzt Frau Fielitz, und noch immer versucht sie, auch diesmal von Jutta Wachowiak gespielt, auf nicht ganz legalem Weg zu Geld zum kommen. Sie klaut jetzt keine Pelze mehr, sondern hat sich auf Brandstiftung verlegt. Fackelt die Bruchbude ab, in der sie wohnt, kassiert die Schadensprämie und baut sich ein lukratives Mietshaus dafür. Schließlich ist Gründerzeit, und man will teilhaben am allgemeinen Boom. Egal mit welchen Mitteln. Das ist heute, fast hundert Jahre nach der Uraufführung, nicht anders. Wieder ist Gründerzeit in Berlin, und sie beschert uns eine kleine Hauptmann-Hauptstadt-Renaissance. Alles schon dagewesen! heißt ihre Botschaft. Lieber das Alte noch mal, als wirklich das Neue zu sehen.
Lebinsky greift tief in die Mottenkiste und befördert verschiedene Exemplare aus dem Bestiarium dieses Jahrhunderts von dort wieder ins Rampenlicht. Den Spekulanten, den Antisemiten, den Kommunisten. Wackere Handwerker, beschränkte Beamte und wildgewordene Kleinbürger. Wir wissen alle längst, was sie angerichtet haben. Daß sie letztlich das Feuer legten, auf dessen Trümmergrundstücken heute die neuen Konzernzentralen in den Berliner Himmel wachsen.
In Horst Lebinskys Inszenierung haben die Figuren ihre Unschuld noch nicht verloren. Sie sind ein bißchen böse und manchmal sogar ziemlich gemein. Aber man soll sie doch noch lieben können. Freundliche Karikaturen aus dem Milieu der Gartenlaube.
Naturgemäß hat das Milieu etwas Patina angesetzt und der Haifisch keine Zähne mehr. Die Schauspieler treten vor ihr Publikum auf dem gewohnten sehr hohen Niveau des Hauses. Dieter Mann als Amtsvorsteher von Wehrhahn, Reimar Joh. Bauer als Schuster Fielitz, Daniel Morgenroth als Langheinrich und Otto Mellies als Polizist Rauchhaupt im Ruhestand. Esther Slevogt
Wieder am 11.1., 19 Uhr, Kammerspiele des Deutschen Theaters, Schumannstraße 13a
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