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■ VorschlagIlja Ehrenburg im Deutsch-Russischen Museum

Für die Deutschen (West) war er der „jüdische Bolschewist“ par excellence. Sie vergaben ihm nie, daß er im Krieg dazu aufgefordert hatte, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. „Töte den Deutschen! Wenn du nicht einen Deutschen am Tag getötet hast, war der Tag verloren.“ Ilja Ehrenburg, dem Verfasser dieses Aufrufes, widmet das Deutsch-Russische Museum in Berlin-Karlshorst seine erste Sonderausstellung.

Ehrenburg, Lyriker, Romanautor, Kriegsberichterstatter und Publizist, war Opfer und Täter. Einer, der die Wahrheit kannte, aber, wo er nicht schon freiwillig schwieg, von den Herren der Revolution gewaltsam zum Schweigen gebracht wurde. Zeit seines Lebens versuchte der 1891 in Kiew geborene Sohn eines jüdischen Brauereidirektors, Politik und Kunst, „Gerechtigkeit und Schönheit“ zusammenzubringen. Meist trat dabei der eine Ehrenburg dem „Lied des anderen auf die Kehle“.

Der Roman „Julio Jurenito“ machte 1921 seinen Verfasser weltberühmt. Der bereits 1910 wegen Differenzen mit Lenin aus der KP Ausgetretene reiste damals unermüdlich durch Westeuropa. „Im Parteiauftrag“, wie er 1926 der Literarischen Welt angab. In Berlin beobachtete er den Aufstieg der Nazis, im Spanischen Bürgerkrieg kämpfte er mit der Schreibmaschine gegen Franco und erlebte den Terror von Stalins Schergen aus nächster Nähe. Während des Hitler- Stalin-Paktes in Ungnade, stieg er nach dem deutschen Überfall zum wichtigsten sowjetischen Publizisten auf. Zugleich war er Mitverfasser eines Schwarzbuches über die Ermordung der sowjetischen Juden, das, als es 1947 druckfertig vorlag, sofort verboten wurde.

Ehrenburgs Hoffnungen auf „Tauwetter“ – sein Roman gab der Epoche nach Stalins Tod ihren Namen – erfüllten sich nicht. Trotzdem gilt Ilja Ehrenburg, der nach 1953 bis dahin verbotene Bücher von Babel und Zwetajewa herausgab und die Kunst der Moderne in die abgeschottete Sowjetunion vermittelte, als einer der wichtigsten Lehrer der Generation von Glasnost und Perestroika. 30 Jahre nach seinem Tod ist es an der Zeit, sich an einen der Großen des Jahrhunderts zu erinnern. Nikolaus Merck

„Ilja Ehrenburg und die Deutschen“. Di. bis So. 10 bis 18 Uhr. Deutsch-Russisches Museum, Berlin-Karlshorst, Zwieseler Straße 4

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