■ Vorschlag: Auf Brechts Spuren durch Berlin
Brecht sitzt als guter Onkel, überlebensgroß, in aller Ruhe und bleibend in Bronze gegossen, vor dem Berliner Ensemble auf einer Bank, die Hände entspannt im Schoß, den Blick ins Leere. Neben ihm ist Platz genug, daß man sich dazusetzen kann, allerdings auf Kosten der eigenen Verzwergung. Und also läßt man es lieber. Nur kurz, von 1954 bis 1956, wirkte Brecht im Theater am Schiffbauerdamm. Aber kaum jemand weiß, daß Brecht in den 20er Jahren auch im Keller des Theaters des Westens als Sänger auftrat. Er gehörte zu den Mitarbeitern der Piscator-Bühne am Nollendorfplatz, probte am Kurfürstendamm, inszenierte am Gendarmenmarkt und mischte auch in den politischen Auseinandersetzungen mit, die es schon damals in und um die Volksbühne gab.
Auf Brechts Spuren kann man sich derzeit jeden Sonntag bei den von StattReisen organisierten literarischen Stadtführungen begeben. „Brechts unbekannte Bühnen“ ist das Thema morgen (Treffpunkt 14 Uhr vor dem Theater des Westens). Am 8.2. und 8.3. geht es unter dem Titel „Brecht und die Mächtigen“ ins Zentrum der nationalsozialistischen Machthaber in der Wilhelmstraße, vorbei am Hotel Adlon, wo Brecht nach seiner Rückkehr aus dem Exil wohnte. Wie er dort residierte, Konservendosen hortete und Gäste empfing, kann man übrigens in der kürzlich erschienenen Autobiographie von Günter Kunert nachlesen. (Treffpunkt für diesen Rundgang: 14 Uhr vor der Portalruine des Anhalter Bahnhofs.) Weitere Rundgänge: „Brecht auf der Stalinallee“ – 15.2. und 15.3., U-Bahnhof Weberwiese, 14 Uhr –, wo es um die Auseinandersetzung mit der Zuckerbäckerarchitektur und Brechts Haltung zum Aufstand am 17. Juni 1953 geht, der von hier seinen Ausgang nahm. Und dann: „Brechts letzte Wege“: 22.2. und 22.3, 14 Uhr, Metropol-Theater.
Auch für die, die es nervig finden, in größeren Menschenansammlungen durch die Straßen zu trotten, ist bald gesorgt: Am 10.Februar erscheint Michael Bienerts literarischer Reiseführer „Mit Brecht durch Berlin“. Bienert, selbst ein erprobter „Stattführer“, hat die einzelnen Themen und Rundgänge darin schön übersichtlich und detailreich aufbereitet und viel Brecht-Material dazugestellt, so daß man tatsächlich Berlin mit Brechts Augen sehen lernen kann: die „zermalmende Wucht der großen Städte“, in denen Brecht „zwischen Zeitungen und Tabak und Branntwein, mißtrauisch und faul und zufrieden am End“ seine Zeit verbrachte. Jörg Magenau
Der Brecht-Reiseführer erscheint als Insel Taschenbuch, 16,80 DM
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