■ Vorschlag: Heranbildung zum Atheismus: Friedrich Fröbel und das Jahr 1848
Die Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogik ist die in Deutschland wohl bedeutendste Forschungsbibliothek zur Bildungsgeschichte. So finden sich unter dem rund 700.000 Einheiten zählenden Bestand auch 38.000 pädagogische Quellenschriften, angefangen beim Jahr 1496. Darüber hinaus bewahrt die Bibliothek auch den sogenannten „Berliner Nachlaß“ von Friedrich Fröbel auf. Fröbel, der nun in der Warschauer Straße in einer kleinen Ausstellung „Friedrich Fröbel und das Jahr 1848“ gewürdigt wird, ist derjenige, der im Jahr 1840 den weltweit gebräuchlichen Begriff „Kindergarten“ erfand, für seine neue reformpädagogische Vorschulerziehung. Mit dem Kindergarten erfand er auch einen der ersten Frauenberufe, die Kindergärtnerin. Dem preußischen Staat war das nicht geheuer. 1851 verbot der preußische Kultusminister von Raumer, Symbolfigur der Reaktion auf die 48er-Revolution, die Fröbelschen Kindergärten: „Wie aus der Broschüre Hochschulen für Mädchen und Kindergärten usw. von Karl Fröbel erhellt, bilden die Kindergärten einen Teil des Fröbelschen sozialistischen Systems, das auf Heranbildung der Jugend zum Atheismus gerichtet ist.“
Karl Fröbel war ein Neffe Friedrich Fröbels. Er selbst engagierte sich nicht in der Revolution, begrüßte aber den politischen Wandel und beschrieb sein Anliegen folgendermaßen: „Prüfen Sie all mein erziehendes Tun in seinem innersten Kern, – ich erziehe und bilde seit einem Menschenalter für die Republik und zu ihr hin, ich bilde und erziehe für die Ausübung der republikanischen Tugenden.“
Das Jahr 1848 ist ein Vorwand der Bibliothek, Fröbel der Aufmerksamkeit des Publikums zu empfehlen. Daß er eine interessante Persönlichkeit nicht nur der Bildungs-, sondern auch der Kunstgeschichte ist, stellte sich letztes Jahr in den USA heraus. Das Erscheinen des Buches „Inventing Kindergarten“, in dem der Architekturhistoriker Norman Brosterman argumentiert hatte, die Abstraktion in der modernen Kunst ließe sich auch darauf zurückführen, daß sämtliche Abstrakte von Kandinsky über Mondrian und Klee bis Frank Lloyd Wright, Le Corbusier und R. Buckminster Fuller in Fröbelschen Kindergärten sozialisiert wurden, führte zu einer großen Debatte in der „New York Times“. Brigitte Werneburg
Bis 2. Juni, Mo–Fr 10–18 Uhr, Warschauer Straße 34–38
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