piwik no script img

■ VorschlagZwei Malerinnen-Filme im Acud: über Lohse-Wächtler und Koch

Wer einmal die Porträts von Elfriede Lohse-Wächtler gesehen hat, vergißt sie sowenig wie Otto Dix oder Egon Schiele. Erfahrungshunger trieb sie 1916, mit gerade 17 Jahren, aus ihrem Dresdner Elternhaus, um ein unabhängiges Leben als Kunstgewerblerin zu versuchen. Ihre expressiven Selbstporträts verraten den Preis für die Freiheit in der Einsamkeit und dem Außenseitertum. Ende der zwanziger Jahre wurde sie mit den „Friedrichsberger Köpfen“ in der Hamburger Kunstszene bekannt: Da hatte sie die Gesichter von Mitpatienten in der Psychiatrie gezeichnet. Aufbruch und Absturz liegen auch in ihren Bildern von den Säufern und Huren der Hafenkneipen eng zusammen. Die Anstalt, in die ihr Vater sie 1932 einwies, überlebte Elfriede Lohse-Wächtler nicht. 1940 wurde sie vergast. Ihre Krankheit war zum Todesurteil geworden.

Dieser grausame Mord überschattet die Rekonstruktion ihrer Lebensgeschichte, die Heide Blum in ihrem Film „...es wird schon alles wieder gut“ versucht. Auf die ideologischen und politischen Konflikte der zwanziger Jahre, zu denen die Malerin mit ihren Bildern der Ausgestoßenen Position bezog, geht der Film kaum ein. Vielmehr erklärt die Regisseurin die Motive der Künstlerin aus der Not ihres Lebens, Beziehungskrisen, Geldmangel, Krankheit. Darüber kommt der Blick auf die Bilder zu kurz; an der Malerei scheint Blum nicht sehr interessiert. Statt dessen sehen wir viel sächsische Landschaften und Schloßgärten, in denen die Künstlerin spazierenging.

Unter dieser Schönwetterfotografie leidet auch das zweite Porträt von Heide Blum über die Dichterin Marga Koch. 20 Jahre lang saß sie in einer Portiersloge am Plauener Theater und strickte Pullover, bis sie im Alter zu schreiben begann. Wir begleiten sie auf Lesungen, Spaziergängen, Familienfeiern mit Kindern und Enkeln, die über die Wandlung der Großmutter staunen. Plötzlich ist sie zum Star geworden, bewegt sich selbstsicher in der Öffentlichkeit. Altersweisheit ist das Kapital ihrer Gedichte, die Natur- und Lebenserfahrung in tröstlichen Bildern verknüpfen. Katrin Bettina Müller

1.6., 20 Uhr, Kino Acud, Veteranenstraße 21, Mitte

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen