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■ VorschlagIvan Kafka in der ifa-Galerie

Ivan Kafka: „Für privaten Maxigebrauch“, 1979 Abb.: Katalog

3.000 Tonmurmeln sind auf einer weißen Holzplatte ausgebreitet. Es mag an der unaufhörlichen Gedenk-Debatte liegen, daß die Fläche, auf der Ivan Kafka in der ifa-Galerie seine Arbeit aufgebaut hat, an den Grundriß für das Holocaustmahnmal erinnert. Aber Kafkas Installation wurde schon 1991 als politisches Statement realisiert: In Prag sollte „Mühsal/Löcher umgekehrt“ mit dem Auseinanderdriften der Murmeln die Zersplitterung der Tschechoslowakei thematisieren. Nur an drei Stellen bleiben die Kugeln in kleinen Häuflein zusammen. Sie sind verleimt – soviel Zuversicht muß sein.

Es ist Kafkas erste Einzelausstellung in Berlin. Zuvor war der 1952 in Prag geborene Landart-Künstler mit einer überdimensionalen Arbeit 1994 im Martin-Gropius-Bau zu sehen. Für „Der Riß im Raum“ hatte Kafka aus 900 an Fäden schwebenden Bogenpfeilen ein Environment errichtet. Damals spiegelte „von nirgends nirgendwohin“ die vertrackte Situation der Kunst im Osten wider: Während die Pfeile aufeinander zuschossen, vermischte sich bloß im Zentrum ihre Zielrichtung ein wenig.

Viel hat sich an dieser vagen Positionsbestimmung nicht geändert. Noch immer arbeitet Kafka ohne feste Galerie, obwohl er letztes Jahr als Mitglied der Akademie der Künste aufgenommen wurde. Die Retrospektive ist jedenfalls berechtigt: Seit Ende der siebziger Jahre arbeitet Kafka an Interventionen im öffentlichen Raum. Für die ersten Installationen konstruierte er transparente Würfel aus dünnem Rohr, mit denen er freistehende Bäume in der Landschaft einrahmte. Aus der Verbindung von Natur und Architektur wurden umfangreiche Skulpturen, für die Kafka Hopfenranken wie Türen an Drahtgestellen hochwachsen ließ oder Kopfsteinpflaster mit weißen Stäben in ein geometrisches Feld verwandelte.

Die alten Arbeiten sind in der ifa-Galerie auf Fotos dokumentiert. Andere Projekte existieren als Skizze oder Konzept: Für die „große kontinentale Begegnung“ sah Kafka 1990 vor, daß das Publikum drei Container tschechische Steinkohle in einem amerikanischen Salzsee verteilen sollte. Im hinteren Raum ist dann eine Arbeit aufgebaut, die 1994 in New York zu sehen war. Orange Windsäcke blähen sich, von einem Ventilator angetrieben, auf und sinken langsam wieder zusammen. „Scheinbarer Aufstand“ erinnert an phallische Probleme aus der Zeit vor Viagra, hat aber biographische Hintergründe: Von 1974 bis 1976 arbeitete Kafka als Meteorologe. Und da gehören schlaffe Säcke zum Alltag. Harald Fricke

Bis 26.7., Di.–So. 14–19 Uhr, ifa-Galerie, Neustädtische Kirchstr. 15

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