piwik no script img

■ VorschlagSpecials, Retros und Konfetti: OFF ein Neues! Das Neuköllner Programmkino wird wiedereröffnet

In einer Zeit, in der die Multiplexe sprießen, meldet sich ein Kino zurück, dessen Name programmatischer nicht sein könnte: Das OFF in der Neuköllner Hermannstraße eröffnet nach kurzer und intensiver Renovierung und präsentiert sich dabei als äußerst komfortabel. Es sitzt sich bequem, und die Beinfreiheit stimmt – einst waren dies zwei triftige Gründe, um das Traditionskino in unangenehmer Erinnerung zu behalten.

Im Foyer bezeugen Fundstücke, die während der Renovierungsarbeiten entdeckt wurden, von der bewegten Vergangenheit, die 1918/19 mit einem Volkstheater begann. 1926 eröffneten die Rixdorfer Lichtspiele den Kinobetrieb, von 1955 bis 1979 stöhnte hier ein Eros Cine Center, um anschließend als OFF wichtiger Bestandteil der Berliner Off-Kino-Kultur zu werden.

Lange bevor Passage, Moviemento und Rollberg nach Neukölln kamen, wurde hier versucht, künstlerisches, anspruchsvolles und unterhaltsames Kino der etwas anderen Art zu präsentieren. Und diese Tradition soll weiter gepflegt werden. Ein schweres, aber reizvolles Unternehmen, besonders in Neukölln, wo seit dem Spiegel-Artikel keine Studenten mehr wohnen und somit ein wichtiges Zuschauerpotential verlorengegangen ist. Auch eine Art Schwellenangst beim sogenannten normalen Publikum stellen die Betreiber nach wie vor fest. Und die Jugendlichen sind sowieso in den Klauen von Popcorn und Plex. Trotzdem wird es keine Kurskorrektur in Richtung „Godzilla“ und „Armageddon“ geben, sondern im OFF wird man der Programmkinotradition treu bleiben. Der Eröffnungsfilm ist Ian Softleys „The wings of the dove“, später sollen „Heimliche Freunde“ und Robert Redfords „Pferdeflüsterer“ folgen.

Auch die Wiederbelebung alter Off-Kino-Errungenschaften wie lange Filmnächte, Retrospektiven und Ausgrabungen werden überlegt, allerdings scheint die Skepsis angesichts der geringen Rentabilität solcher Specials in den eigenen Reihen noch zu überwiegen. Im September wird als Testballon ein schwuler Männerchor auftreten, ein Versuch, Kleinkunst zu etablieren und das OFF auch über die Grenzen Neuköllns bekannt zu machen. Die Kinobetreiber haben mit der Renovierung den ersten Schritt getan, hoffentlich verleiht der Erfolg den Mut, dem Namen OFF gerecht zu werden. Totgesagte leben länger, besonders gegenüber vom Friedhof, also: Off geht's! Anatol Weber

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen