Vorschlag für CO2-arme Wirtschaft: Kein Klimakuckucksheim
Die EU-Kommission präsentierte ein Programm zum Umbau der Wirtschaft. 95 Prozent der Emissionen sollen eingespart werden. Kritik vom deutschen Wirtschaftsministerium.
BERLIN taz | Mit dem "Fahrplan für eine CO2-arme Wirtschaft bis 2050" will die EU-Kommission die EU-Treibhausgasemissionen bis 2050 um bis zu 95 Prozent senken. Die EU würde, wenn sie dies wirklich umsetzt, auch das Ziel der Klimaschutzkonferenz von Cancún übertreffen: Für diese hatten sich die die EU-Vertreter auf 80 Prozent geeinigt.
Jetzt will die Kommission noch höher hinaus, zumindest auf dem Papier, das vor zwei Tagen veröffentlicht wurde. Der Plan sieht einen grundlegenden Umbau der Wirtschaft vor. Der Vorhaben ist mit neuen Arbeitsplätze und nachhaltigem Wachstum verknüpft, aber auch mit hohen Kosten verbunden. Über 270 Milliarden Euro müssten Politik und Wirtschaft jährlich investieren, um den ambitioniertem Plan gerecht zu werden. Die Gesamteinnahmen der EU betrugen im Jahr 2010 etwa 123 Milliarden Euro.
Als "klimafeindlich, wachstumsschädlich und kontraproduktiv" bewertete der Vertreter des Wirtschaftsministeriums, Werner Ressing, den Plan aus Brüssel. Er mahnte, allein die Herstellung energieeffizienter Techniken sei viel zu teuer: "Das wäre der Exodus der Energieindustrie".
Der Vertreter des Umweltministeriums, Urban Rid, argumentierte hingegen, niedrige Produktionskosten seien kein Erfolgsgarant. "Die USA hatten 20 Jahren ausschließlich niedrige Kosten im Sinn, was sie davon haben, ist heute offensichtlich." Er bewertete den Klimafahrplan als sinnvoll und als "eine gute Diskussionsgrundlage".
Artur Runge-Metzger, Mitarbeiter der EU-Kommission, bezeichnete den Vorwurf des Wirtschaftsministeriums, die EU wolle die Industrie aus Europa vertreiben, als "blanken Unsinn". EU-Politik sei Industriepolitik. "Wir kommen nicht aus Klimakuckkucksheim", verwahrte sich Runge-Metzger gegen die Kritik.
Unter dem Titel "Im Klimakuckucksheim" war die EU-Kommission am Dienstag in der FAZ für den Klimafahrplan kritisiert worden. "Wir glauben nicht, dass es neue Energien vom Himmeln regnen oder plötzlich jeder Bürger Vegetarier wird." Mit den Investionen seien aber auch enorme Kosteneinsparungen verbunden: bis 320 Milliarden Euro könnten bis 2050 eingespart werden. "Statt unser Geld für Öl und Gas nach Russland zu überweisen, könnten wir die heimische Wirtschaft stärken und uns unabhängig vom Öl-Preis machen."
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