Vorrunden WM-Bilanz (3/4): Die Ballonseide ist verschwunden
Trainer mit Bauch rund wie ein Fußball und Jogginganzug sterben aus. Durchgesetzt hat sich der Typus Kreditsachbearbeiter. Wie schade.
Der Trainer des Jahres 2014 ist ein gut ausgebildeter Fußballlehrer und so sieht er auch aus. Er könnte genauso gut ein durchtrainierter Dermatologe sein, ein schlanker Kreditsachbearbeiter, ein jung gebliebener Ministerialreferent oder ein sich bewusst ernährender Hochschullehrer. Professoren sehen nämlich auch nicht mehr aus wie früher: Die rauchen nicht mehr, sind nicht mehr dick und tragen keinen schlecht sitzenden Anzug mehr.
Doch es gibt sie noch, die guten alten Trainer, die bulligen Kerle, die einem ihre Pranke auf die Schulter kloppen, die Welt in einem Satz erklären und eigentlich in Ballonseide stecken sollten. Sie sind aber ein Auslaufmodell. Die bulligsten unter ihnen mussten das Turnier leider schon verlassen: die Roy Hodgsons und Vicente del Bosques. Und wie lange die anderen Dicken noch im Turnier bleiben, der feiste Luiz Felipe Scolari, der tänzelnde Miguel Herrera oder der zum Abklatschen neigende Louis van Gaal, das weiß keiner.
Die Zukunft gehört den Schlanken. Leider. Es sind die mit den immer gleichen Sorgen-, Ärger-, Gratulier- und Jubelgesten. Sie heißen Jogi Klinsmann und Jürgen Tabarez, Jorge Luis Löw und Oscar Hitzfeld, Didier Wilmots und Oscar Deschamps. Sie reden wie Staatssekretäre, werden ausgestattet von Strenesse und wenn ihnen die Fifa einen Fragebogen zuschicken würde, könnten sie den auch auf Englisch beantworten.
Das ist das Ende der Fußballwelt, wie wir sie kennen.
Fast jedenfalls. Denn bekanntlich ist der Ball so rund wie das Gesicht von Scolari und der Bauch von Herrera. Wenn die im Trainingsanzug zum Achtelfinale kämen, wenn sie dann auch noch außerhalb der Coachingzone rumspuckten und wenn sie sich sogar dem Vierten Offiziellen mal anders als händeschüttelnd und höflich näherten – hach, dann wäre der Fußball doch noch nicht verloren.
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