■ Vorlauf: Katastrophendesign
Frank O. Gehry - Architektur als Vision, 20 Uhr, arte
Geschwungene Linien zum Durchschauen: In Bilbao, wo die Europafiliale des New Yorker Guggenheim Museums entsteht, kann man am besten sehen, wie der Architekt Frank O. Gehry baut. Der Bau ist nämlich noch gar nicht fertig, und so kann die Kamera durch die Lücken der tanzenden Netzgerüste in die Zwischenräume zwischen den werdenden Baukörpern lugen. Sowieso, Zwischenräume. Davon redet der Architekt gerne: Architektur, sagt er, müsse wie eine Cocktailparty sein, die aus nichts als den sozialen Zwischenräumen und ihren Spannungen bestehe. Man versteht es nicht ganz, merkt aber: Der Mann hat eine reizende Art, seine Kunst zu betreiben. Frank O. Gehry baut Häuser, die immer ein wenig aussehen, als seien all die Kugeln, Zylinder, Quader eben zur Lustorgie übereinander hergefallen. „Katastrophendesign“ hat das mal einer genannt. Paßt gar nicht schlecht in die Zeit. Gehrys Idee für Berlins Museumsinsel zum Beispiel konterkariert kühn preußische Linien, ohne sie zu dementieren – doch die Baubürokratie präferiert eine andere.
So schwungvoll die Linien auch schwingen, so ausgelassen die Häuserfronten auch tanzen, so routiniert werden sie hier entlang der starren Linie der hergekommenen Doku-Gesetze abgefilmt. Filmautor Thomas Mense hat sich offensichtlich von Gehrys Dynamik nicht anstecken lassen. Obwohl er ihn bewundert. Hier „setzt das Gebäude einen städtebaulichen Akzent“, dort sind „ästhetische und ökologische Kriterien zu einer harmonischen Einheit verschmolzen“. So stelzt sich der Kommentar mitten in den leichten Mauerschwung wie eine trübe Betonburg. Und wir hören es wie in den Investorenprospekten naseweis tönen: „Die Reduktion der Materialien balanciert den Formenreichtum des Baukörpers aus.“ Dabei hat der Film doch einen Protagonisten, der mit der gleichen Leichtigkeit über Architektur zu sprechen versteht, mit der er baut. Gehrys Kommentare erklären seine Vision, sind im Film aber recht unbeholfen ins Deutsche übersetzt. Etwas weniger Bewunderung und mehr Inspiration hätten ihm gut getan.Lutz Meier
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