■ Vorlauf: Mehrwert und Folklore
„Die mächtigen Frauen von Juchitán“, 20.15 Uhr, Arte
„Ein Mädchen! Es ist ein Mädchen!“, ruft die rundliche Frau immer wieder, während sie zum Markt eilt, und alle freuen sich, daß die Nachbarin eine Tochter geboren hat. Denn in Juchitán sind's – anders als in den meisten Gegenden der Welt – die Töchter, auf die es ankommt, nicht die Söhne. Die Region um die im Süden Mexikos gelegene Provinzstadt mit rund 80.000 Bewohnern ist traditionell von der Frauen- Gesellschaft der Zapoteken geprägt. Zapotekische Männer, meist Fischer und Bauern, haben es dabei trotzdem ziemlich gut.
Das jedenfalls zeigt die Geo- Reportage von Carmen Butta, mit der Arte heute die einwöchige Reihe „Weibsbilder“ eröffnet. Die „Reinas“ (Königinnen) von Juchitán machen nämlich fast alles selbst: Sie ziehen die Kinder groß, versorgen die Familien, bauen die Häuser, haben das Geld und machen die Geschäfte – insbesondere auf den Märkten: „Die Männer sind Rohstofflieferant, die Frauen der Mehrwert“, heißt es.
Die Weiberwirtschaft funktioniert bestens, geschmiert durch gegenseitige Hilfeleistung, aber auch die vielen Feste zu Geburt, Taufe oder Hochzeit der Töchter. So wird das Geld rasch wieder umverteilt. Monumentalbauten, in Männergesellschaften gern Manifest von Macht & Co, konnten die Archäologen in der ganzen Historie des Frauenvolkes keine aufspüren.
Wie die Frauengesellschaft sich mit dem machistischen Restmexiko verträgt, bleibt Arte-Zuschauern leider verborgen. Genauso wie der Umstand, daß die Zapotekas kein Einzelfall sind (sondern eine von rund 100 matrilinearen Gesellschaften dieser Erde) – und was aus alldem zu lernen wäre. Denn nach diesem folkloristisch angehauchten Staune-Stück wird das Thema für diese Woche fallengelassen. Stattdessen folgt (zum Stichwort „Weibsbild“ bunt gewürfelt) ein Report über Entwicklungs-Kredite für Frauen in Bangladesh, dann zwei Dokus über Fragen künstlicher Fortpflanzung und natürlich den „kleinen Unterschied“ – im Hirn. Ulla Küspert
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