■ Vorlauf: Geisterstunde
„Der Geist von Weimar“, 20.45 Uhr, Arte
Bernd Kauffmann, Weimars Kulturhauptstadtgeneralintendant, kennt sich aus mit Touristen. Japaner, sagt er, kommen nach Weimar wegen Goethe. Franzosen wegen Nietzsche. Osteuropäer wegen Bach und Liszt. Und Amerikaner wegen Bauhaus und Buchenwald. Die Dokumentation von Peter Merseburger will alle diese Interessen gleichzeitig bedienen – ein fast hoffnungsloses Unterfangen.
Es beginnt beschaulich mit Serenadenklängen. Mehrere Germanistikprofessoren kommen zu Wort, die das Goetheterrain zwischen Rousseauismus und Kleinstaaterei, grüner Ahnherrenschaft und Volksverachtung thesenfroh verorten. Dann geht es Schlag auf Schlag: Franz Liszt am Klavier. Friedrich Ebert grüßt zur Gründung der Weimarer Republik vom Balkon. Elisabeth Förster-Nietzsche, die böse Philosophenschwester, kumpelt mit Nazis. Sowjetsoldaten legen Kränze an den Goethe-Schiller- Särgen nieder: Geister aus dem historischen Kabinett.
Die Nazis liebten die Stadt besonders. Hier hielten sie 1926 ihren ersten Parteitag ab. Hier, wo sie zum ersten Mal in einen Stadtrat gewählt wurden, fühlte Hitler sich sichtlich wohl und winkte aus dem Fenster des „Elephanten“. Das Ende ist bekannt: Die US- Armee zwang die deutsche Bevölkerung zum Besuch des Konzentrationslagers und filmte kopfschüttelnde Reaktionen. Diese Aufnahmen fehlen auch bei Merseburger nicht. Denn so ist das eben mit der deutschen Geschichte: Es fängt harmlos und ein bißchen langweilig mit Parkanlagen, kostbaren Möbeln und Dichterbüsten an – und endet im KZ. Das eigentliche Thema, die Indienstnahme der Klassiker und der Ideale des Humanismus zu Propagandazwecken, bleibt jedoch seltsam unterbelichtet und wird – ein wenig zu billig – erst für die DDR-Zeit dringlich. Jörg Magenau
Themenabend im Anschluß: „Stunde Null“ (Reportage), 21.45 Uhr; „Nackt unter Wölfen“ (Spielfilm), 22.15 Uhr; „Schönes Fräulein, darf ich's wagen?“ (Doku), 0.15 Uhr
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