: Vorher muss überlegt werden
betr.: „Ausländer statt Abriss“, „Flüchtlinge sollen in die Platte“, taz vom 25./26. 5. 02
Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) will Flüchtlinge und Asylbewerber in die leer stehenden Plattenbauwohnungen der Bezirke Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf einweisen. Dies erscheint zunächst als eine sinnvolle Lösung: Einerseits findet die Ghettoisierung durch geballte Heimunterbringung mit allen nachteiligen Folgen für diese Menschen ein Ende. Andererseits wird der Wohnungsleerstand in den Bezirken verringert.
Ich als Bewohner eines solchen Bezirkes möchte aber trotzdem einige Bedenken äußern: In Marzahn-Hellersdorf haben sich schon jetzt einige Wohngebiete zu sozialen Brennpunkten entwickelt. Und dies auch durch verstärkten und unkontrollierten Zuzug von Migranten. Grundsätzlich betrachte ich Migranten als eine Bereicherung für unseren Bezirk. Es geht nicht darum, Ausländer oder Aussiedler fern zu halten, sondern darum, Konzepte für eine sozial ausgewogene Wohnungsbelegung zu entwickeln. Der soziale Frieden in unserem Bezirk ist gefährdet, wenn unüberlegt in leer stehende Wohnungen eingewiesen wird.
Vorher muss überlegt werden: Wie viele Menschen einer bestimmten Gruppe verträgt das Haus bzw. der Kiez, damit sich Bewohner weiter in ihrer gewohnten Umgebung wohl fühlen und die Integration von Fremden gelingen kann. Hier sind in erster Linie die Wohnungsbaugesellschaften gefordert, aber ebenfalls die Bezirkspolitiker. Dieses Thema muss zum Beispiel auf die Tagesordnung der Fachausschüsse in den betroffenen Bezirken gesetzt werden. Wenn hier nichts geschieht, entwickeln sich weitere Kieze zu sozialen Brennpunkten von bisher ungeahntem Ausmaß.
NICKEL VON NEUMANN
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